■ Mit Rheinland-Subventionen auf du und du
: Vorreiter für VW

Freiburg (taz) – Nicht nur das Bundesland Sachsen scheint Probleme mit den EU-Regeln zur Subventionskontrolle zu haben. Auch Rheinland-Pfalz hat eine Leiche im Keller. Heute geht es vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg um einen Rechtsstreit zwischen dem Rebenland und dem Aluminiumunternehmen Alcan. Alcan will eine Beihilfe, die ihm von der Landesregierung angeblich „aufgedrängt“ worden war, nicht zurückzahlen.

Die deutsche Tochter des kanadischen Alukonzerns Alcan hatte 1981 eine Aluminiumhütte in Ludwigshafen gekauft. Doch schon kurz nach der Übernahme hatte Alcan die Freude an dem neuen Kind verloren. Nicht zuletzt wegen gestiegener Strompreise fuhr die energieintensive Aluproduktion „horrende Verluste“ ein, so Alcan. Der Konzern beschloß, das Werk dichtzumachen.

Dies jedoch wollte der Betriebsrat nicht akzeptieren und mobilisierte Öffentlichkeit und Politik. Immerhin trug sich das Ganze im Wahlkreis des frischgewählten Kanzlers zu. Das Bundesland offerierte deshalb eine „Überbrückungshilfe“ in Höhe von acht Millionen Mark, um Alcan zum Bleiben zu bewegen. „Wenn wir das Angebot abgelehnt hätten, wäre das ein riesiger Imageschaden für unser Unternehmen gewesen“, erinnert sich Geschäftsführer Nikolaus von Verschuer.

Was Alcan angeblich nicht wußte: Rheinland-Pfalz hatte die Subvention gezahlt, ohne vorher die Genehmigung der EU-Kommission einzuholen. Schon das war rechtswidrig. Zwei Jahre später, 1986, stellten die Wettbewerbshüter in Brüssel fest, daß die Beihilfe auch in der Sache nicht gerechtfertigt war, weil sie die Konkurrenz von Alcan zu sehr benachteiligte.

Das Land ging erst mal auf Tauchstation, wurde wegen dieser Verweigerungshaltung aber von der Kommission vor den EuGH gebracht. Dieser entschied im Jahr 1989: Selbst wenn Alcan wirklich gutgläubig gewesen sei, hieße dies nicht automatisch, daß rechtswidrig gezahlte Beihilfen nicht mehr zurückgezahlt werden müssen.

Also verlangte nun Rheinland-Pfalz endlich die acht Millionen von Alcan zurück. Doch diesmal stellte sich Alcan quer. Die Firmenanwälte beriefen sich auf das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz. Dieses fordert von einer Behörde, daß rechtswidrig gezahlte Gelder binnen eines Jahres nach Kenntnis der Rechtswidrigkeit zurückverlangt werden müssen. So gesehen kam das Land zwei Jahre zu spät. Das fanden auch die Verwaltungsgerichte in Mainz und Koblenz. Erst das Bundesverwaltungsgericht in Berlin legte die Sache erneut in Luxemburg vor.

Das Problem: Das deutsche Verfahrensgesetz geht davon aus, daß eine Behörde selbst großes Interesse hat, fälschlich gezahlte Gelder zurückzuholen. Im Standortwettbewerb aber sieht sich die Behörde eher auf seiten „ihrer“ Betriebe. Der EuGH muß nun entscheiden, ob Europarecht dazu führt, daß deutsche Fristen in solchen Fällen nicht mehr anzuwenden sind. Mit dem Urteil ist allerdings erst in einigen Monaten zu rechnen. Die Subventionen, um die heute gestritten wird, haben im Falle Alcan ihr Ziel verfehlt. Nach dem Ausbleiben weiterer Staatshilfen wurde die Hütte 1987 geschlossen. Christian Rath