Musical als Hochglanz-Folie

■ Beirat Mitte ist dafür, bezweifelt aber die schönen Prognosen

Die Präsentation vor den Ortsbeiräten aus dem Stadtteil Mitte ließ keine Wünsche offen – Overhead-Folien, farbige Pläne des Theaters und eloquentes Marketing-Neudeutsch: Alles für das immer noch umstrittene Musical-Projekt im alten „Show Park“ am Richtweg. „Wir brauchen eine Menge Support“, warb Heinrich Mura von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft. „Mitschreiben müssen Sie nicht, wir haben Handouts vorbereitet“.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, stellte Produzent Frank Buecheler gleich zu Anfang klar: Musical sei nicht Kultur, sondern Unterhaltungsindustrie, da könne man Erfolg planen. Die sonst so streitbaren Viertel-Politiker blieben bei soviel Hochglanz einigermaßen geplättet zurück: Niemand wollte sich grundsätzlich gegen das Musical in Bremen aussprechen – und gegen die damit verbundene 40-Millionen-Mark-Subvention der Stadt für den Umbau des Show-Parks zum Musical-Theater mosern. Wenn es denn funktioniert und nebenher Leben in die tote Ecke am Richtweg einzieht, warum nicht?

Doch die Euphorie der Wirtschaftsleute mochte die PolitikerInnen nicht anstecken. „Vom Stück Dr. Jekyll & Mr. Hyde werden Sie sofort begeistert sein“, versicherte Michael Göbel, Chef der Hanseatischen Veranstaltungs GmbH (HVG), die mit Buecheler die Verträge aushandelt. Daß nun das Theater sogar 1469 Plätze (300 mehr als zunächst geplant) fassen soll, sei „noch viel schöner“.

Viele Kritiker unterschätzten das „Riesenpotential“ des Standortes Bremen. Binnen zwei Autostunden sei Bremen für mehr begeisterte Musical-Fans zu erreichen als das vielgepriesene München. Schon jetzt kämen jährlich 19,9 Millionen Tagesbesucher in den Schnoor und zum Roland, sprach Göbel eindringlich. „Müssen wir uns touristisch vor anderen Musical-Städten wie Bochum, Duisburg, Niedernhausen oder Stuttgart verstecken?“, hieb er erfolgreich auf die lokalpatriotische Pauke.

Mit dem Musical sei es möglich, einen Teil dieser Menschen über Nacht zu halten, so die Rechnung der Stadt. Die Rückflüsse von 190.000 zusätzlichen Übernachtungen und diversen Nach-der-Show-Weinchen und -dinners sorge für 139 Millionen Mark Kaufkraftzufluß und letztlich für zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von 5,9 Millionen Mark. Göbels Botschaft: Da sind die „1,7 Mio Deutschmark“, die Bremen auf 20 Jahre für den Umbau am Bein hat, gut angelegtes Geld.

Ihre Zweifel an der realen Grundlage all der schönen Zahlen ließ sich ein Teil des Beirates jedoch nicht austreiben. So faßten die KommunalpolitikerInnen einen wahrhaft salomonischen Beschluß: Eine Mehrheit begrüßte zwar das Musical, eine andere Mehrheit unterstützte aber auch einen langen Katalog der Grünen: Da standen eine Menge „Wenns“: „Wenn das Stück in Amerika ein Riesenerfolg wird, wenn die Auslastung rasch die versprochenen 90 Prozent erreicht, wenn Herr Buecheler das Stück unwiderstehlich für den breiten Geschmack inszeniert, dann sind wir schlauer“. Bis dahin will sich der Beirat „nicht an Wetten über die Aussichten des Musicals am Richtweg beteiligen“. jof