Brüterelemente suchen neues Lager

Hessen will sie im Hanauer Bundesbunker nicht mehr haben, NRW will sie nicht ins Atommüllager nach Ahaus bekommen. Vertraglich ist der Bund in der Pflicht  ■ Aus Frankfurt am Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Beim heutigen Erörterungstermin in Ahaus, bei dem es um die Erweiterung der Zwischenlagerkapazität für atomare Komponenten geht, sind drei Ministerinnen – auf der politischen Schiene – involviert: Bärbel Höhn, bündnisgrüne Umweltministerin in NRW, Margarethe Nimsch, bündnisgrüne Umweltministerin in Hessen – und Angela Merkel, christdemokratische Bundesumweltministerin.

Weil Siemens die Herstellung atomarer Brennelemente im hessischen Hanau 1995 eingestellt und das Leerfahren der Altanlage zur Produktion von MOX-Brennelementen aus Uran und Plutonium beantragt hat, muß anderswo mittelfristig Lagerkapazität geschaffen werden. Denn wenn Siemens um das Jahr 2000 herum seine Produktionsanlagen abreißen wird, muß auch der „Bundesbunker“ leergeräumt werden.

In „Bundesauftragsverwaltung“ lagern in diesem Bunker unter anderem 123 Brennelemente, die einst von der Firma Alkem im Auftrag der mehrheitlich dem Energiekonzern RWE gehörenden „Schneller Brüter Kernkraftwerksgesellschaft“ (SBK) für den schnellen Brüter in Kalkar zusammengebaut wurden. Und exakt 82 weitere Brüterbrennelemente, die von Belgien aus in ein Zwischenlager in Schottland (Dounray) ausgeflogen wurden, müssen von der Eigentümerin SBK, respektive dem „auftragsverwaltenden“ Bund, demnächst wieder zurückgenommen werden.

Doch wohin mit dem strahlenden Material? Beim Bund in Bonn denkt man unter anderem an das Atommüllzwischenlager in Ahaus. Davon ist die Landesregierung in NRW naturgemäß nicht begeistert. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat vorsorglich schon mal erklärt, daß die Brüterelemente doch besser im „sicheren Bundesbunker“ liegenbleiben sollten, als nach Ahaus (NRW) zu kommen. Das Zwischenlager dort sei für die Deponierung plutoniumhaltiger Brennelemente weder geeignet, noch liege dafür eine entsprechende Genehmigung vor.

Im Hause Merkel spielt man auf Zeit. Daß auch der „Bundesbunker“ in einigen Jahren leergefahren werden muß, weiß die Bundesregierung. „Hinsichtlich der Fortführung der staatlichen Verwahrung werden derzeit verschiedene Möglichkeiten untersucht“, schrieb etwa der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Erhard Jauck, schon im April 1996 seinem hessischen Amtskollegen Rainer Baake.

Doch sei das kein dringliches Problem, denn mit der endgültigen Stillegung des Siemens-Brennelementewerks könne „frühestens im Jahre 2000“ begonnen werden. 1984 hatte sich der Bund per Vertrag der Physikalischen Technischen Bundesanstalt (PTB) mit der Alkem den Zugriff auf einen Teilbereich des Bunkers gesichert – „aus sicherheits- und sicherungstechnischen Gründen“. Und dieser Vertrag, in den Siemens nach der Übernahme der Alkem eingestiegen ist, endet erst dann, wenn das verwahrte Plutonium und Uran „aus der staatlichen Lagerung herausgegeben“ wird. Eine ordentliche Kündigung ist deshalb „ausgeschlossen“. Siemens kommt aus dem Vertrag nicht raus. Rund 100.000 Mark im Jahr läßt sich der Bund die Bereitstellung der Lagerkapazitäten für die staatliche Verwahrung durch Siemens kosten.

Ein vorstellbares Szenario, wonach die (noch) rot-grün regierten Bundesländer NRW und Hessen – kurz vor der Bundestagswahl – darüber in Streit geraten, wo die Brüterbrennelemente hinkommen oder wo sie bleiben, hält Renate Gunzenhauser, Pressesprecherin im hessischen Umweltministerium, für „nicht realistisch“: „Das Ganze ist ein Problem der Bundesregierung.“ Bundesumweltministerin Merkel müsse entscheiden, was mit den in staatlicher Verwahrung befindlichen radioaktiven Komponenten zu geschehen habe. „Wir werden den Teufel tun, hierzu eigene Vorschläge zu unterbreiten.“

Das Grundübel allerdings, sagen Umweltschützer aus Hanau und Bündnisgrüne in Hessen, sei die Bundesregierung selbst im Verein mit der Atom- und Plutoniumwirtschaft. Der Fall offenbare exemplarisch, wie unverantwortlich die Verantwortlichen gehandelt haben: „Produzieren auf Teufel komm raus – und nach uns die Sintflut.“