■ Schnittplatz
: Die Privaten und das Private

Warum bloß ist das Fernsehprogramm so schlecht? Wenn es um Programmqualität im Fernsehen geht, kann kaum jemand so recht sagen, was das ist: Qualität. Die Verantwortlichen können mit dem öffentlich geäußerten Qualitätsanspruch ohnehin nichts anfangen. Da wittern sie das Gemäkel einer branchenfremden Intelligenzija, die es ohnehin besser findet, wenn man ein gutes Buch liest. Fernsehen, das ist Busineß, was will da die Kulturkritik mit ihrem Geschmäcklertum? Die Demoskopie scheint ihnen recht zu geben: Tags gibt das Volk in Umfragen zu Protokoll, es wolle Dokumentationen sehen, gutes Fernsehspiel. Nach Feierabend sitzt es dann doch wieder vor „Anna Maria“.

Ist Quote Qualität, oder ist letztere der ersten Feind? Jede Schraubenfabrik habe doch heutzutage ihre Qualitätsnorm, bemerkte Norbert Schneider, Chef der Düsseldorfer Landesmedienanstalt, auf einer Tagung der Berliner Evangelischen Akademie zum Thema. Doch auch beim Schraubenfräsen guckt man nicht auf Qualität, damit die Schraube gut schraubt. Sondern damit sie sich verkauft. Nur wenn Qualität Quote bringt, bringt sie was.

Die Zeit-Kritikerin Barbara Sichtermann führte vor, daß Fernsehkritik mehr sein kann als Schraubentest. Nachmittagstalksendungen zum Beispiel: Die Öffentlichkeit des Fernsehens, sagte sie, spiegele deshalb heute soviel Persönliches und Privates, da „alles so friedlich“ sei.

Dietrich Leder, Kölner Professor für Fernsehkultur, hat bei der Betrachtung politischer Magazine ähnliches festgestellt. Das Fernsehen, „das früher soziologisch gearbeitet hat“, habe die Blickrichtung gewechselt: Mittlerweile diene die Berichterstattung nicht länger dazu, Aussagen über Gesellschaftsstrukturen zu machen, sondern sie bilde Gesellschaftszustände im permanenten Stadium der Hysterie ab.

Die Normalität im öffentlichen Blick auf die Gesellschaft ist in das Private bei den Privatsendern abgewandert. Lutz Meier