Haushaltsparadies wird Steuerhölle

Haushaltsdebatte in Moskau: Die Regierung verspricht Subventionen für Bauern und Bergbau zu kürzen. Opposition kritisiert Haushaltslöcher, Arbeiter kriegen kein Geld  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Gewöhnlich geht es heiß her, wenn der Haushaltsausschuß der Duma den Budgetentwurf der Regierung zur ersten Einsicht präsentiert bekommt. Emotionen schlagen hoch, Forderungen werden gestellt, Lobbyisten argwöhnen, zukurz zu kommen.

Diesmal geht es ruhig zu. Zugegeben, viele Deputierte kehrten gerade mal aus dem Urlaub zurück und sind noch nicht in Kampfeslaune. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Michail Sadornow, erklärt die Friedfertigkeit und Zurückhaltung am Dienstag indes mit der äußerst schwierigen Aufgabe, die ins Haus steht.

Das Haushaltsdefizit soll im kommenden Jahr auf drei Prozent des Bruttosozialprodukts (BSP) abgebaut werden, die Inflation, die in diesem Jahr bei 20 Prozent lag, weiter auf 9,5 Prozent sinken. Dergleichen Ergebnisse ließen sich aber nur erzielen, wenn es dem Staat gelänge, die Steuereinnahmen zu erhöhen. Gerade daran krankt es. Im laufenden Jahr beträgt das Steueraufkommen gerade 12 Prozent des BSP, während im Vorjahr 16 Prozent anvisiert worden waren. Sadornow hält auch die für 1997 angepeilten 15 Prozent für illusorisch.

Zwar arbeitet man zur Zeit an einer neuen Steuergesetzgebung. Doch deren Umsetzung wird erfahrungsgemäß noch einige Zeit brauchen. Wie wenig durchdacht und wie überstürzt gehandelt wird, zeigte ein Dekret Präsident Jelzins, das die Besteuerung individueller Sparguthaben seit August vorsah. Ein Run auf die Banken setzte ein. Mit dem Erfolg, daß die Zentralbank über zwei Milliarden US Dollar zusätzlich verkaufen mußte, um verängstigte Sparer auszuzahlen. Kurz darauf erklärte Jelzin seinen Ukas für null und nichtig. Wirtschaftsminister Jewgeni Jassin beabsichtigt, schon demnächst „unsinnige“ Steuerbefreiungen aufzuheben und das Verbrauchssteuersystem zu vereinheitlichen. Zudem denkt Jassin daran, die Subventionen für die Bauern und im Steinkohlebergbau zu senken.

Die chronische Insolvenz des Staates hält trotzdem an. Versuche, dem durch Verkauf von Wertpapieren und Staatstiteln Abhilfe zu schaffen, lassen die Inflation wieder steigen. Zudem zeichnen sich inzwischen die Nachwirkungen der großzügigen Jelzinschen Wahlkampfgeschenke ab. Löhne können andernorts nicht mehr gezahlt werden. Bereits im September hat Rußland die vom IWF aufs ganze Jahr zugestandene Defizitmarge überschritten. Im neuen Haushaltsentwurf kann indes noch in der Verteidigung und bei der Sicherheit gespart werden. Die Ausgaben seien „enorm“, meinte Sadornow. Der Vorschlag wird sicherlich nicht auf Gegenliebe stoßen.