Schwergewichte beim Haushaltstango

■ In der Generaldebatte um den Bundeshaushalt 1997 liefern sich Joschka Fischer und Helmut Kohl das entscheidende Rededuell: Wer soll für Sanierung der Staatsfinanzen aufkommen? Familie als Lastesel der Nation?

Bonn (taz) – Wer die Regierung führt, ist bekannt: Helmut Kohl. Wer bei der Opposition an erster Stelle steht, wurde gestern bei der Generaldebatte über den Bundeshaushalt 1997 deutlich: Joschka Fischer. Der Bündnisgrüne präsentierte sich als dickster Jumbo im Elefantenrennen der politischen Schwergewichte von Scharping über Schäuble bis zu Lafontaine.

Deutschland stehe vor der Entscheidung zwischen einem marktradikalen Weg und dem Weg in eine zivile Bürgergesellschaft, so Fischer. Für den marktradikalen Weg, daran ließ er keinen Zweifel, stehe die Politik der Regierungskoalition, die dafür sorge, daß die kleinen Leute die Steuersenkung für die Reichen zu zahlen hätten.

Bundeskanzler Kohl wies die Kritik mit scharfen Worten zurück. „Mit roten Fahnen und Feldgeschrei ist den Arbeitslosen in Deutschland nicht zu helfen.“ Er wolle den Sozialstaat nicht abbauen, sondern sicherer machen.

SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping warf der Regierung vor, an die Stelle des sozialen Zusammenhalts kühlen Egoismus zu setzen. Dies sei unsozial und gegen die wirtschaftlichen Interessen. Die Regierungskoalition habe die Familie zum Lastesel der Nation gemacht, „Sonntagsreden gehalten und sechs Tage gegen die eigenen Prinzipien“ gehandelt.

Um der Zukunft willen seien einschneidende Änderungen nötig. Die Oppositionsparteien machten allerdings nochmals deutlich, daß sie eine Reihe dieser von der Regierung beabsichtigten Änderungen nicht mittragen werden. So lehnten SPD und Grüne die geplante Abschaffung der Vermögenssteuer und der Gewerbekapitalsteuer ab. Im Gegenzug forderten sie, bei der geplanten Kindergelderhöhung zu bleiben.

Die meisten dieser Gesetzesvorhaben sind im Bundesrat zustimmungspflichtig. Bundeskanzler Kohl wie auch der Vorsitzende der CDU/ CSU-Fraktion, Wolfgang Schäuble, riefen die SPD dazu auf, sich nicht zu verweigern, sondern zu Gesprächen bereit zu sein.

Fischer warf der Regierung vor, eine Steuerpolitik zu betreiben, „die nur noch chaostheoretisch zu begreifen“ sei. Während die FDP sich für Steuerentlastung ausgesprochen habe, habe der Bundeskanzler eine Erhöhung der Mehrwertsteuer befürwortet. Demgegenüber vertrat Fischer die Position, daß bei der notwendigen Reform „eine Steuerentlastung nicht drin“ sei.

Sowohl SPD als auch die Bündnisgrünen meldeten den Anspruch an, ab 1998 die Regierung zu bilden. Die Mutmaßung Kohls, die SPD wolle das notfalls mit Hilfe der PDS anstreben, veranlaßte Lafontaine zu der Feststellung, daß Kohl 1994 von Abgeordneten der Ost- CDU gewählt wurde, die zuvor Mauer und Stacheldraht befürwortet hätten.

Opposition wie FDP mahnten eine Unterzeichnung der deutsch-tschechischen Erklärung an. Kohl versprach es noch für dieses Jahr. Dieter Rulff

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