„Ein verletzter Falter, hoppla!“

■ Tränen der Begeisterung über Tim Fischer und sein Programm

Ganze drei Minuten dauerte es am Mittwochabend, schon war im Jungen Theater das erste Konzert in der Gastspielreihe von Tim Fischer ausverkauft. Etliche Besucherinnen mußten enttäuscht wieder umkehren und sich mit der Hoffnung trösten, eine der Karten für die nächsten Vorstellungen des charmanten Chansonniers zu ergattern (allabendlich bis zum Sonntag).

Tim Fischer ist hier ein oft und gern gesehener Gast. Diesmal kam er, um den BremerInnen seine neue CD vorzustellen, die aufgrund eines Produktionsfehlers allerdings erst am 20. September erscheint. Das neue Programm ist eine Hommage an Friedrich Hollaender und den französischen Dichter Paul Verlaine – eine Wiederbelebung im besten Sinne: Beide hätten in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag gefeiert, wenn, ja, wenn sie nicht gestorben wären.

„Wenn ick mal tot bin, is mein schönster Tach“, ließ Hollaender sein Lieseken sagen. „Lieschen Puderbach“, eine Figur aus Else Lasker-Schülers „Wupper“, steht im Mittelpunkt des Zyklus, den Hollaender unter dem Titel „Lieder eines armen Mädchens“ Anfang der 20er Jahre schrieb. Arm war Lieseken, wie die meisten Menschen in der Nachkriegszeit. So steht sie für all die, die satt waren vom Hunger, die sich nach Glück, Geborgenheit und Liebe sehnten und nach neuem Selbstbewußtsein:

„Ick wirke manchmal wie –ne Offenbarung. Det kommt von meinem Antlitz her.“ Klein, aber treffsicher war die Gestik, mit der Tim Fischer seine gesungenen Zitate begleitete. Umso größer das Raunen auf den Rängen. Tim Fischer scheint stets identisch mit dem, was er singt: „So aufrichtig und so liebenswert, so sanft und so rein“, wie Paul Verlaine seine eigenen Gedichte beschrieb.Tim Fischer hat etwas von einem Engel, der mit dem Flügelschlag seiner langen Augenwimpern die Seelen zu berühren scheint. Jedenfalls war das Publikum, ob jung oder alt, insgesamt sehr ergriffen. „Bravo“, hallte es in die andächtige Stille nach dem Vortrag hinein, und eine Dame in der ersten Reihe verlor dutzendweise Tränen. Kann sich ein Chansonnier mehr wünschen?

Tim Fischer glänzte. Er hat es geschafft, aus dem Fahrwasser von Georgette Dee herauszuschwimmen und ein eigenes Profil zu entwickeln. Mit dem neuen Programm hat er sich eine besondere Empfehlung geschrieben. Daß er nicht vergaß, Thomas Dörschel, seinem sensiblen und virtuosen Begleiter am Klavier, sowie dem Komponisten Serge Weber zu danken, der einige Lieder von Hollaender sowie den Verlaine-Zyklus „La bonne chanson“ so bravourös vertonte, gehört zum guten Stil Tim Fischers. dah