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Was heißt Mafia auf russisch?

■ Little Odessa drängt das russische Viertel in New York in Bilder

Es ist ein Duell mit überraschenden Kontrahenten. Aus den Tiefen der Filmgeschichte steigt Maximilian Schell auf, um gegen Tim Roth anzutreten. Und natürlich tragen die Repräsentanten zweier Schauspielergenerationen ein zähes Duell zwischen Vater und Sohn aus. Was Maximilian Schell als Sippenoberhaupt Arcady Shapiro dabei dem Sohn als Killer entgegenzuhalten hat, ist nicht viel mehr als die strebsame Moral eines in die USA ausgewanderten russischen Juden.

In Little Odessa, dort, wo New York auf den Atlantik blickt, siedelten sich insbesondere seit den 20er Jahren Russen wie die Shapiras an und prägten eine bisher kaum von Filmemachern bedachte community zwischen Pirogen, Babuschkas, Fellmützen und kyrillischer Schrift. Wo Martin Scorsese Little Italy in diversen Filmen ein Gesicht gab, setzt der Regisseur und Autor James Gray bei den russischen Auswanderern an. Beide New Yorker Communities leiden unter der gleichen Plage – der Mafia, die auf russisch Organisatziya heißt.

Der Sohn und Killer erledigt am Boardwalk in Brighton Beach einen Auftrag, wo er vor Jahren den Nachstellungen eines russischen Mafia-Paten und seiner Familie entfloh. Trotz der ständigen Bedrohung, läßt er sich auf die riskante Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit ein. Sein Vater Arcady läßt Joshua nicht einmal zur krebskranken Mutter Irina durch, die Vanessa Redgrave als dahinvegetierendes Wesen mit beinahe erloschenem Lebenswillen fein und durchsichtig verkörpert. Doch die moralische Tour des Vaters gegenüber dem Nestbeschmutzer bekommt immer mehr Risse. Hinter der Fassade des guten Bürgers kommen Ehebruch und Gewalt als familiäre Fratze zum Vorschein, bis Joshua den Vater mit buchstäblich heruntergelassenen Hosen in ein dreckiges, verschneites Brachland zwingt.

Überhaupt geht dem Viertel in den derben, zugigen Bildern James Grays all die Grazie ab, die ihm Woody Allen noch gab. Selbst die Achterbahn erscheint im diesigen Licht des New Yorker Winters wie ein kahlgeschorener Baum. Bei all dem schonungslosen Realismus verläßt sich James Gray aber ganz auf das erfahrene Duo, das dem Generationenkonflikt mit sparsamen Mitteln die nötige Intensität verleiht. Volker Marquardt

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