Das Elend zwischen den Meeren

■ Klaus Pohl über die Inszenierung seines Dramas Zettel und die Provinz

Früher war Zettel mal voller Tatendrang und großer Hoffnungen. Seine Freundin hat ihm kräftig zugeredet, 68er-mäßig zum Marsch durch die Institutionen anzutreten, Lehrer zu werden und alles ganz anders und sowieso viel besser zu machen. Inzwischen ist Zettel Lokalberichterstatter eines kleinen Blattes im Norden. Auch hier sind seine Ziele hochgesteckt, den Menschen will er hinters Licht kommen, feststellen, was dieses Deutschland so ausmacht. Als Jugendfreundin Vera allerdings aus London mit Kamerateam auftaucht, um über den Ex ein Porträt in ihrer Reihe „Deutschland nach dem Mauerfall“ zu machen, klappen die Kartenhäuser der großen Ansprüche und Ziele zusammen. Was bleibt, ist das ganz alltägliche Drama vom Abschminken der großen Erwartungen.

Dramatiker Klaus Pohl ist inzwischen in einer ähnlichen Rolle wie Vera. Auch er sieht das Land, das ihm den Stoff seiner realdramatischen Stücke liefert, aus der Fremde, pendelt zwischen New York und den deutschen Provinzen. Figuren wie Zettel traf er schon, als er 1988 am Pilotfilm für eine nie gedrehte Fernsehserie über Lokalpresse arbeitete und durch Norddeutschland zog.

„Damals stach mir dieser enorme Druck ins Auge, der auf diesen Leuten liegt“, erklärt Pohl der taz. „Einerseits sollen sie die Wirklichkeit abbilden, andererseits rufen gleich die Leute an, über die geschrieben wurde.“ Schon deshalb hat der weinerliche, prahlerische, auftrumpfende Zettel die Zuneigung des Autors. Mit Wolf-Dietrich Sprenger hat er den Gescheiterten obendrein wunschgemäß besetzen können: „Mit Sprenger arbeite ich schon seit fast zwanzig Jahren“, meint er, „wir sind so eingespielt wie ein altes Ehepaar. Er hat schon viele meiner Figuren gespielt, hat vom Typus her viel mit mir zu tun und hat in all den Jahren beim Arbeiten praktisch auf meinem Schoß gesessen. Er hat Erfahrung mit diesen seltsam zerrupften Unglücksvögeln.“ Den für die Uraufführung nötigen Abstand zum Selbstverfaßten will Klaus Pohl aber dennoch beibehalten. „Eine größere Distanz als ich habe, gibt es nicht“, führt er aus. „Seit sechs Wochen höre ich nichts anderes! Trotzdem macht es mir Spaß, mit der Theatererfahrung, die ich habe, auszuprobieren, ob das, was ich geschrieben habe, auch in der Umsetzung funktioniert.“

Thomas Plaichinger

heute 13. April, Thalia, 20 Uhr