: Infos nur „in allgemein lockerer Form“
■ PUA Polizei: Hackmann widerspricht Krappen, Reimers widerspricht Hackmann Von Kai v. Appen
Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) „Polizei“ zum Hamburger Polizeiskandal dauern die gegenseitigen Schuldzuweisungen an: Der im September als Innensenator zurückgetretene Werner Hackmann widersprach am Dienstag abend vor dem PUA Behauptungen des im März geschaßten Landespolizeidirektors Heinz Krappen.
Der hatte vor zwei Wochen vor dem Ausschuß beteuert, er habe Hackmann bereits im Januar 1994 über Hinweise eines Kronzeugen auf Mißhandlungen von Schwarzafrikanern im Polizeirevier an der Kirchenallee informiert. Diese Hinweise tauchten im April '94 in einem Vermerk des Chefs der Landespolizeischule, Manfred Bienert, erneut auf. Hackmann räumte allerdings am Dienstag einen bedingten „blackout“ ein: „Ich weiß, daß Herr Krappen – den ich sehr schätze – dies in den Medien sagt. Ich kann mich daran nicht erinnern!“
Auch Hackmanns Staatsrat Dirk Reimers, inzwischen in die Finanzbehörde versetzt, der angeblich von Polizeistabschef Hans-Joachim Dittrich im Januar über diese Hinweise informiert worden war, mimte den Unwissenden: „Ich kann mich daran nicht erinnern. Ich habe die Protokolle nachgesehen, da ist nichts vermerkt. Wenn, muß das in allgemein lockerer Form geschehen sein.“
Hackmann und Reimers gaben an – obwohl der Bienert-Vermerk nachweislich von Dittrich im September 1994 der Innenbehörde mit Zusatzberichten zugeleitet worden war (taz berichtete am 21. September 94) – , erst im März dieses Jahres durch eine Sendung des ARD-Magazins Panorama von „Scheinhinrichtungen“ und anderen Übergriffen erfahren zu haben. Hackmanns Vorwurf an die Polizeiführung: „Ich weiß nicht, ob ich erwartet hätte, daß ich über diesen Vermerk hätte informiert werden müssen. Was ich erwartet hätte, wäre, daß dem Vermerk nachgegangen wird.“
Hackmann gestand allerdings ein, eine Woche vor seinem Rücktritt am 12. September 1994 vom GAL-Abgeordneten Manfred Mahr in einem vertraulichen Gespräch von Gerüchten über „Scheinhinrichtungen“ in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Diese Gerüchte seien aber „zu unkonkret“ gewesen, so daß er nichts unternommen habe. Auf Nachfrage erklärte Mahr gestern gegenüber der taz, daß er Hackmann in jenem Gespräch konkrete Hinweise gegeben habe. Er habe den damaligen Innensenator davon in Kenntnis gesetzt, daß der Chef der Polizeidirektion Mitte, Richard Peters, den „Kronzeugen“ kenne, diesen aber zur Verschwiegenheit verpflichtet habe. Mahr: „Dem ist Hackmann kurz vor seinem Rücktritt wohl nicht mehr nachgegangen.“
Auch Reimers bestritt bei seiner Aussage vor dem PUA vehement, etwas von konkreten Vorwürfen gegen Beamte des Hauptbahnhofsreviers gewußt zu haben: „Ich möchte mit Sicherheit ausschließen, daß es Informationen über Scheinhinrichtungen gegeben hat.“ Reimers monierte auch, über den Bienert-Vermerk so spät informiert worden zu sein. „Ich habe mich später gefragt, warum das nicht auf meinen Schreibtisch kam.“ Zwar habe es immer wieder „vage Gerüchte“ über Verfehlungen gegeben, diese hätten sich aber nie konkretisieren lassen. Reimers: „Mir war bekannt, daß es Wachen gibt – wie auch das Lerchenstraßenrevier – wo durch besondere Belastungen immer die latente Gefahr von Fehlverhalten besteht.“
Verklausuliert machte er seinen Ex-Chef Hackmann – der 1989 den Posten des Polizeipräsidenten abgeschafft hatte – für die Dimension des Polizeiskandals verantwortlich: „Ich muß davon ausgehen, daß die Übertragung aller Aufgaben an den Landespolizeidirektor Krappen eine Überforderung darstellte, die zu den Pannen geführt haben.“ Die Bewertung über das Ausmaß der Mißhandlungen von Ausländern habe sich als „unzureichend erwiesen“.
Derweil geht der Konflikt zwischen der GAL und den anderen Fraktionen des PUA Polizei weiter. GAL-Ausschußmitglied Manfred Mahr: „Wir bleiben bei unserer Forderung, daß der Arbeitsstabsleiter Koschnitzke abgelöst gehört.“ Am Dienstag war es im Arbeitsstab zum Eklat gekommen (taz berichtete). GAL-Vertreter Wolfgang Erhardt war einer „tribunalartigen Konfrontation“ ausgesetzt, nachdem die GAL gegen den Ausschluß ihres Referenten Peter Mecklenburg Verfassungsklage eingereicht hatte. Der Arbeitsstab hatte den Ausschluß damit begründet, daß Mecklenburg noch als Zeuge vom PUA zu hören sei. Hinter den Kulissen sollen vor allem die Sozialdemokraten deutlich gemacht haben, daß eine Mitarbeit Mecklenburgs „grundsätzlich“ schon aus „Fürsorgepflicht für die Polizei“ nicht in Frage komme, da Mecklenburg ein „generell geprägtes Feindbild“ gegen die Polizei habe.
GALier Manfred Mahr: „Nach der Sitzung der Obleute im PUA sind die Vorwürfe in keiner Weise ausgeräumt. Wir können die Absetzung allerdings nicht erzwingen.“ Die GAL wird Wolfgang Erhardt auf eigenen Wunsch wegen der unerträglichen Arbeitssituation aus dem Arbeitsstab abberufen und durch einen neuen Vertreter ersetzen.
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