Ein Zopf aus Glück und Schrecken

■ Der Musikwissenschaftler Eberhard Rebling liest seine Autobiografie

Zunächst die trockenen Fakten: Auf Einladung des Vereins Musik von unten liest der Musiker und Musikwissenschaftler Eberhard Rebling heute abend in der Universität. Doch heute geht es nicht um wissenschaftliche Themen, sondern um das Leben selbst: um die Autobiographie des Ehepaares Rebling, die 1986 im DDR-Verlag Der Morgen erschien und die jetzt in einer erweiterten Fassung, herausgegeben vom Bund Demokratischer Wissenschaftler, auch auf den westdeutschen Markt gelangt: Sag nie, du gehst den letzten Weg, so der Titel des im Mai erscheinenden Werkes.

Und nun zum Ernst des Lebens, genauer gesagt, zwei exemplarischen Geschichten davon, die dieses Buch erzählt: Linyaldati ist eine sephardische Jüdin, also eine Nachkommin der spanischen Juden, die 1492 von den Christen aus ihrem Heimatland vertrieben wurden und in Amsterdam ein Exil fanden. Aufgewachsen im jüdischen Armenviertel der niederländischen Stadt entwickelte Linyaldati sich zur Sängerin und Tänzerin, die die sephardische Musiktradition bewahrt. Sie wurde nach Auschwitz deportiert, lernte dort Anne Frank kennen, die sie bis zu deren Tod in Bergen-Belsen begleitete. Nach der Befreiung kehrte sie in ihre Heimatstadt zurück und traf dort – ein unglaubliches Wunder – ihren Mann wieder.

Eberhard Rebling hatte inzwischen ebenfalls mehrere fast tödlich endende Begegnungen überlebt. 1944 wurde er im Amsterdamer Untergrund aufgespürt und zum Tode verurteilt. Durch einen abenteuerlichen Sprung aus einem Polizeiauto rettete er sich das Leben.

In der DDR führte das Paar ihr musikalisches Leben weiter: Linyaldati gab Konzerte, sang jiddische Lieder, Eberhard wurde Rektor der Musikhochschule in Berlin. Sein interdisziplinärer musikwissenschaftlicher Ansatz – er erkannte in der bürgerlichen Musik des 18. Jahrhunderts eher eine soziologische Rebellion gegen den Absolutismus als einen Ausdruck ewiger innerer Werte – wurde nicht nur in der DDR berühmt.

Lesung: Heute, 19 Uhr, Musikwissenschaftliches Institut, Neue Rabenstr. 13

Gabriele Wittmann