Die literarische Woche

Heute: Nicht nur den ermordeten sechs Millionen Juden hat der Holocaust posthum eine kollektive Identität verliehen, auch für den jungen Staat Israel und seine Bürger ist die Shoah zum identitätsstiftenden Ereignis geworden. Der israelische Historiker und Journalist Tom Segev nennt seine Landsleute deshalb in seinem jetzt auf Deutsch erschienenen Buch Die siebte Million. Heute liest der Autor aus dem umfangreichen Werk, das historisch genaue Darstellungen mit journalistischen Beschreibungen von Einzelschicksalen verbindet. Achtung: Nicht H.-Heine-Buchhandlung sondern Hörsaal C, Ed.-Siemers-Allee 1, 19.30 Uhr

Mittwoch: Diesen Mittwoch beginnt eine 7-teilige Ringvorlesung über Ernst Cassirer. Der jüdische Philosoph und späterere Rektor lehrte bis zu seiner Vertreibung 1933 an der Hamburger Universität. Von Aby Warburg, dessen ehemalige Bibliothek in der Heilwigstraße nächste Woche renoviert der Öffentlichkeit vorgestellt wird, wurde Cassirer nachhaltig beeinflußt, und aus dieser Hamburger Zeit stammt sein Hauptwerk, die Philosophie der symbolischen Formen. Über den berühmten Wissenschaftler spricht Prof. Dr. Barbara Vogel anläßlich seines 50. Todestages. Vorlesung 14-tägig, mittwochs, 18.15 bis 20 Uhr, Hörsaal D, Von-Melle-Park 6

Friedrich Dürrenmatt beschäftigte sich immer wieder mit Fragen über Recht und Unrecht dieser Gesellschaft. Dr. Heiner Alwart hält zu dem Autor einen Vortrag mit dem Titel Wahrheit und Recht – Dürrenmatt und (Straf-)Justiz. Gebäude des Verwaltungsgerichts, Nagelsweg, Eingang Nr. 37, 19 Uhr

Die alles verschlingende Zeit ist sein Hauptthema: Reimer Eilers, Mitglied der Autorengruppe Peng, liest aus seinem ersten Gedichtband, Der Tag an dem das Meer gestohlen wurde. Der auf Helgoland geborene Poet sinniert im Angesicht norddeutscher Landschaft über zeitliche Struktur des Erlebens, aber auch über Tagespolitik der letzten Jahre. Literaturhaus, Schwanenwik 38, 20 Uhr

Freitag: Arno Schmidt-Fans aufgepaßt: Tina oder Über die Unsterblichkeit, so heißt die Erzählung des Norddeutschen mit den Grantler-Zügen, die heute abend Jan Philipp Reemtsma liest. Es heißt, man könne Arno Schmidt nicht laut lesen. Denn wie sollte man die üppige Interpunktion des Autors zu Gehör bringen? Aber vielleicht kommt der Gesellschaftswissenschaftler auf ganze andere Fragestellungen als auf die linguistische. Schauspielhaus, 23 Uhr

Sonnabend: Ein Multitalent ist Peter Weiss: Er schrieb nicht nur Prosa und Gedichte, sondern auch Filmskripte und Theaterstücke. Neben dem Dokumentationsdrama Die Ermittlung, das am Ernst Deutsch Theater in Szene gesetzt wird, schrieb er auch über Die Ästhetik des Widerstands. Peter Jecklin liest heute die Erzählung Der Schatten des Kutschers.Schauspielhaus, 23 Uhr

gmw