Elf mal alt geworden

■ Kris Kristofferson sang Lieder für die Schwarzarbeiterklasse

In einvernehmlicher Andacht hörten Menschen ohne den Ruch einer In-Crowd-Zugehörigkeit Kris Kristofferson zu. In der Nacht vor Beginn der nächsten Arbeitswoche spielte der älter gewordene Bursche in der Fabrik Lieder nach zwei Maßgaben. Die eine präsentierte den freundlich bedächtigen Balladensänger, der nur noch einmal nachfragt, ob wir nach Schießereien, einer Kontinente umspannenden Sauftour oder 1000 und einer Erfahrung des Verlustes nicht auch finden, daß man sich vor allem um die Kinder kümmern und auf die Mutter Acht geben sollte.

Zur Auflockerung gab es Stücke mit einem mittelschnellen Ump-tschakk-Schlagzeug für ausgeschlafene Honks. Da ging es eher darum, sich beim nett-loyalen Zusammenstehen gegenseitig freundlich in die Augen zu schauen und bei der Zusammenarbeit jeweils dem anderen unter die Arme zu greifen. Lieder für die Helden der Schwarzarbeiterklasse oder jene Männer, die nur mal Zigaretten holen wollten und sich dann ganz aus dem Staub machten, um Anekdoten zu sammeln. Kristofferson ähnelt dabei ein wenig Leuten wie dem ehemaligen Doobie Brother Michael MacDonald, Bob Seeger oder David Crosby, die nicht einfach von Erfahrungen singen, sondern davon berichten, daß sie einmal aufgewachsen, aber elf mal alt geworden und mindestens 72 Male gestorben sind, um jetzt, ein bißchen vom Leben verweht, wieder auf der Bühne zu stehen.

Allerdings: Wer Kristofferson gegenüber nicht prinzipiell freundlich eingestellt ist, der sah und hörte einen bis zur Tolldreistigkeit selbstgerechten Amerikaner.

Kristof Schreuf