Verwaltungs-Deform

■ „Steuerungsmodell 2000“: Zeitpläne überschritten / Spardiskussion lähmt Reformeifer Von Florian Marten

In der Hamburger Verwaltung geht sein knapp einem Jahr ein Gespenst um: Es tarnt sich mit Moderatorenköfferchern, Flipcharts und Seminarprotokollen – und schlägt erbarmungslos zu. Amtshandlungen mutieren zu ordinären „Produkten“, brave Amtsleiter verwandeln sich in sensible Teamkoordinatoren, „Leistungsverträge“ ersetzen altbewährte Dienstanweisungen. Der Abschiebeknast Glasmoor gar offeriert seine Ausübung der Staatsgewalt urplötzlich supermarktmäßig als „Produkt Behandlung“ im „Produktbereich Abschiebehaft“.

Noch freilich hakt der Prozeß: Der Zeitplan ist schon heute, 10 Monate nach dem Startschuß per Senatsbeschluß am 30.Juni 1994, völlig aus den Fugen geraten. In den besonders betroffenen Pilotprojekten wachsen Unmut und Kritik angesichts eines oft dilettantischen Vorgehens und der problematischen Vermengung von Sparen und Reformieren.

Die Rede ist vom „Neuen Steuerungsmodell 2000“, häßlich abgekürzt „N/2000“, welches, so die Hoffnung des Senats, die Hamburger Verwaltung bis zum nächsten Jahrtausend auf ein neues Niveau katapultieren soll: StaatsdienerInnen soll das billigere und bessere Dienstleisten beigebogen werden. Dieses ehrgeizige Vorhaben, weltweit unter den Markenzeichen „lean production“ und „lean management“ firmierend, geht Hamburg freilich gewohnt trippelschrittmäßig an.

In fünf Pilotbereichen wird ausprobiert, was dereinst den ganzen Stadtstaatsapparat aufmischen soll: Produkte statt staatlicher Leistung, innerbehördliche Leistungsvereinbarungen statt Anweisungen von oben, Kosten- und Leistungsrechnung statt traditioneller Ausgabenplanung. Zudem erhalten die einzelnen „Produktbereiche“ eigene Budgets, die sie selbst verwalten dürfen, ein Prinzip, welches Finanzsenator Ortwin Runde Schritt für Schritt auch für andere Behördenetats einführen will.

Das Gefängnis Glasmoor, der Peil- und Vermessungsdienst, die Feuerwehrschule, das Amt für Arbeitsschutz und die Einwohnerämter der Bezirke Nord, Mitte und Harburg, allesamt mit dem Prädikat Pilotprojekt geadelt, werkeln seit Juni 1994 an „Produktdefinitionen“, fahnden nach „Kosten“ und üben sich im Moderatorentraining. Die 85 MitarbeiterInnen des Knastes Glasmoor beispielsweise erstellen neuerdings in den „Produktbereichen Strafvollzug und Abschiebehaft“ jeweils im Dreierpack die N/2000-Produkte „Behandlung“, „Sicherheit“ und „Versorgung“.

Das Ziel, die Bestandsaufnahme – Produkte, Kosten, aktuelle Arbeitsorganisation – bis Ende 1994 abzuschließen, wurde in fast allen Pilotbereichen grandios verfehlt: Noch schwerer als die vernünftige Definition von Produkten fiel und fällt die Zuordnung von Kosten und Leistungen. Nach anfänglichem Reformeifer der überaus gutwilligen Behördenmenschen häufen sich jetzt Frust und Kritik: Es gehe nicht um die Mitarbeiter, sondern vor allem ums Sparen, die Neuorganisation der Arbeitsabläufe werde übers Knie gebrochen, der Informationsfluß sei mangelhaft.

Für Willfried Maier, Fraktionschef der Grünen im Rathaus, ist das alles gar nicht verwunderlich. In einem Dossier über die „Defizite der Hamburger Verwaltungs- und Haushaltsreform“, verfaßt für die innergrüne Diskussion, listet Maier die grundlegenden Mängel des Hamburger Reformeifers auf: „Sie wird jenseits der Bürgerinnen und Bürger entwickelt.“ Kein Zufall also, daß „die Verbesserung der Leistungen, anders als in Berlin, nicht im Zentrum steht.“ Maiers Fazit: „Neben der Bürokratenpoesie über Verwaltungsreform gibt es kaum tatsächliche Reformschritte. Den Namen einer ernsthaften Reform verdient das alles nicht.“

Die Betreiber der Reform kümmert das wenig: Inständig wurde der taz von Mitarbeitern des zentralen Reformstabes im Senatsamt für den Verwaltungsdienst bedeutet, nicht durch Mäkeleien zur Unzeit den Erneuerungsprozeß zu hemmen. Nach außen geben sich die Reformer lieber offensiv: „Angepackt!“, überschreibt das Mitarbeiterinfo des Bezirksamtes Nord in seiner Aprilausgabe einen Artikel zu „Problemlösungen für N/2000“. Allerdings: In der Checkliste der Probleme findet sich schwarz auf recyclinggrau: „Es fehlt das Zutrauen, daß N/2000 insgesamt etwas ändern kann.“