Richies graue Mäuse

■ HSV müht sich zum 0:0 in Bochum

Daß der HSV derzeit nicht viel hergibt, ist bekannt. Daß das trostlose Treten am Freitagabend beim 0:0 im Bochumer Ruhrstadion daran nichts ändern konnte – auch klar. Und so taugte das Spiel nur zur erneuten Bestätigung der Konvergenz-Theorie: Die Fronten wackeln, seit selbst hartgesottene St. Pauli-Fans dem Rivalen nicht mehr den Untergang, sondern lieber ein kümmerliches 0:0 wünschen.

Erstens manifestiert das die vielgeschmähte Unattraktivität des Mittelmaßes, und zweitens dient es als Soli-Geste für Keeper Richard Golz, dem der Verein zu Saisonbeginn die 40jährige populistische Wunderwaffe Uli Stein vor die Nase gesetzt hatte. Golz, der auch schon mit kritischen Beiträgen zum Thema Fußball und Rassismus hervorgetreten ist und so nach klassischen Maßstäben eher ans Millerntor passen würde, drückte fortan meist die Bank – bis Stein, Sinnbild der glory days des HSV sich Anfang März am Oberschenkel verletzte.

In Bochum setzte der 26jährige das fort, was er seitdem stets getan hatte: den indisponierten Kollegen durch seine Paraden ein schmeichelhaftes Resultat zu bescheren. Peschel (26., 38.), Wosz (41.) und Michalke (67.) verzweifelten vor 22.000 ZuschauerInnen an Richies Souveränität und Sicherheit.

So etwas bleibt nicht folgenlos: Der neu-bescheidene HSV (Trainer Möhlmann in Bochum: „Für zwei graue Mäuse war das Spiel sensationell.“) müht sich im Blick auf die Zukunft, den verworfenen Sohn unter Vermeidung allzu großer Verlogenheit auf die neuerliche Initiation in den trauten Familienkreis einzustimmen. Diesmal war Kapitän Jürgen Hartmann (“Richie war sensationell“) mit dem wöchentlichen Lob dran. Der umkoste Golz, dessen Wechselwünsche während der Saison zurückgewiesen wurden, rang um Distanz und fand „das Theater langsam peinlich“. Doch die Mäuse werden weiter piepen – der Käfig ruft. Golz' Vertrag läuft bis 1997. Folke Havekost