Uni? Brrrr!

Zweimal im Jahr beginnt für hundertausende junge Menschen die Lebenslaufzäsur in Form einer „OE“. Dies ist die Orientierungseinheit für einen kollegial als „Neu-Studi“ titulierten Personenkreis, der sich im Gegensatz zu seinen kühnen Absichten, lernen, verstehen und wissen zu wollen, hier zunächst mit vielschichtigem Grauen konfrontiert sieht.

Eine „launige“ Eröffnungsveranstaltung etwa braucht absurde Rollenspielchen für die werdenden Studenten, die übrigens fortan als wandelnde Partizipien zu bezeichnen sind, weil's einfach frauenfreundlicher ist. Studium, so der einhellig-scheinheilige Tenor aller Speichelleckeransprachen, sei zunächst mal gar nicht so schwierig, und sowieso sei alles ganz einfach, wenn man nur nachfragt, am besten den ganzen Tag lang. Auch sei es wenig ratsam, jetzt schon zu wissen, was man im Leben werden wolle.

Da staunten sie aber, die später-mal-im-Verlagswesen-tätig-sein-wollen-Partisanen. Nun aber flugs Gruppengefühl heucheln und Kleingruppen bilden. Und ob auf der Campus-Ralley, der „ultimativen Party“, beim Kennlern-Frühstück, oder der „Kleingruppe mit Lehrenden“, überall wird klar: Ab heute beendest du das Schattendasein der eigenen Existenz, von nun an wird kollektiv „gemenst“, in die „Stabi“ gegangen und mit „Profs“ geredet. Doch die Studierenden von 1995 lassen jede Auflehnungstradition vermissen, Mädchen kichernd, Jungs im Jakett, alle sehr ernst und gefaßt, bereit jede neue Abkürzung zu wiederholen. Ihr Motto scheint zu sein: Beherrscht du die Lösung nicht, werde Teil des Problems. Welch saurer Jahrgang.

B. v. Stuckrad-Barre