„Nie ins Wartezimmer“

■ Ein Jahr „Mobile Hilfe für Obdachlose“: Hemmschwelle vor Arztpraxis bleibt

„Ein riesiges eitriges Loch hatte ich im Knie“, erinnert sich Jürgen Schulz, „aber jetzt ist alles völlig verheilt“. Dankbar spricht der wohnungslose Hamburger über Ärzte und Schwestern der „Mobilen Hilfe für Obdachlose“, die sein Bein gesund pflegten. „In eine Arztpraxis wäre ich damit niemals gegangen, denn in ein Wartezimmer setze ich mich nicht“, sagt er.

Seit September 1995 ist das Pflegemobil des Hamburger Caritasverbandes täglich mit zwei Krankenschwestern auf einer festen Route im Hamburger Stadtgebiet unterwegs. Wohnheime, Bahnhöfe und andere Treffpunkte von Obdachlosen fährt der aus Spendenmitteln ausgestattete Kleinbus an. Nach Angaben von Caritas-Sprecher Michael Hansen wurden bisher fast 5000 Menschen im Wagen der Mobilen Hilfe behandelt.

Einmal in der Woche ist auch ein ehrenamtlich arbeitender Arzt dabei. Einer von ihnen ist Wolfgang Spallek: „Wenn die Patienten kooperieren, können wir viele Krankheiten sehr gut behandeln“, sagt der Mediziner, der seit Anfang dieses Jahres im Pflegemobil mitfährt. „Aber häufig sind wir auch machtlos“, gibt er zu. „Bei blutenden Magengeschwüren können die Schmerzmittel, die wir ausgeben, eine Krankenhausbehandlung nicht ersetzen.“

Ziel der „Mobilen Hilfe“ war nach Angaben von Hansen der Anschluß der Obdachlosen an die reguläre medizinische Versorgung. „Dies ist uns leider nicht gelungen“, gibt er zu. „Die Hemmschwelle, in eine Arztpraxis zu gehen, bleibt trotzdem bestehen.“ Ungefähr 400.000 Mark kostet das Pflegemobil pro Jahr, etwa die Hälfte davon wird derzeit von der Stadt Hamburg getragen. „Langfristige Zusagen von der Sozialbehörde gibt es nicht, wir bleiben auf Spenden angewiesen“, sagt Ackermann. In Zukunft sollten sich auch die Krankenkassen an der Finanzierung beteiligen, hofft er. Gespräche seien geplant.

Achim Hurrelmann