■ Vorschlag
: Der Rückimport der Volkstümlichkeit aus Amerika: Thomas Meinecke liest

Was die Musik angeht, hat Thomas Meinecke mit seiner Band F.S.K. die USA schon länger in sein Herz geschlossen: Frei von Mißverständnissen können F.S.K. dort ihrer eigenen Interpretation von Volksmusik freien Lauf lassen, ganz gleich ob sie ihren Sound nun als Trash, als Witz oder in originalgetreuer Ernsthaftigkeit vortragen. Der etwas andere, hintergründig-augenzwinkernde Musiktransfer – transatlantischer Folk oder antirockistischer Eklektizismus? Hierzulande irritiert das, und auf einen schlüssigen Nenner vermag das niemand recht zu bringen.

Mit „The Church of John F. Kennedy“ nun, seinem kürzlich erschienenen dritten Buch, verlegt Thomas Meinecke auch seinen literarischen Schauplatz von der alten BRD in die USA. Dort läßt er seinen Helden Wenzel Assmann (mit blonder Stirnlocke!) in den Südstaaten auf Spurensuche gehen. Assmann erforscht die Geschichte deutscher Einwanderer, sinnigerweise vor dem Hintergrund der deutschen Wiedervereinigung. Unentwegt stolpert er dabei über antisemitische Motelbesitzer, Vietnam-Veteranen, religiöse Gruppen wie die der Amischer und der Mennoniten, über Frauen, Schwule, Afroamerikaner und selbstverständlich auch über deren eigenwillige und gewendete Rassismen und Nationalismen.

Wie in den früheren Texten Meineckes steht in „The Church of...“ der gespielte Witz neben der tiefen Erkenntnis, sind Banalitäten und Alltägliches nicht weniger bedeutend als die „schwergewichtigen“ politischen Veränderungen; Assmann diskutiert die Wiedervereinigung und ihre Folgen für die deutsche Linke, er belustigt sich über einen afroamerikanischen Polizisten, der seinem Schäferhund die deutschen Worte „Platz!“ „Faß!“ oder „Fuß!“ zuruft, oder er wundert sich über den Kaffeeklatsch, der in Wort und Tat seinen Eingang auch in Amerika gefunden hat.

Das ist oft amüsant. Mitunter wird es aber auch recht mühselig, den historischen Entdeckungen Assmanns mitsamt zahlreich eingestreuten Zitaten aus sogenannten Auswandererbriefen zu folgen. Zumal meist nur an den Rändern des Buchs erkenntlich wird, wohin die Reise geht. Für Meinecke scheint der Blick auf Deutschland in den Neunzigern aus links-bohemistisch-subkultureller Sicht unscharf und trüb geworden zu sein, des „große Ja in der modernen Welt des permanenten Nein“, sein früheres Credo, birgt nur noch Mißverständlichkeit.

Einmal sagt Assmann, daß „auch im Lustspiel immer dann am meisten bewegt wird, wenn in der Dunkelheit versehentlich der Falsche gefickt wird“, und damit kann man sich eigentlich immer aus der Bredouille helfen. Gerrit Bartels

Der Autor liest heute ab 23 Uhr im Roten Salon, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte