Luxus, Laster, Lotterleben

■ Rückkehr der Glamour-Soap: "Central Park West" (samstags, 17.45 Uhr, RTL)

In den Neunzigern gab es in den USA eine Reihe von Versuchen, dem seriellen Drama zu neuer Güte zu verhelfen. Im vorangegangenen Jahrzehnt hatte sich die gemeinhin als Soap opera geführte Gattung mit aufwendigen Spektakeln wie „Dallas“ und „Denver- Clan“ im Abendprogramm etablieren können. Deren formale und inhaltliche Merkmale gingen in den Erzählkanon ein und beeinflußten auch andere Genres. Die Soap-typische episodenübergreifende, auf mehrere parallel laufende Erzählstränge verteilte Handlungsführung wurde zu einem häufig angewandten Modell.

In der Herbstsaison 1991 starteten zwei dramatische Serien, die thematisch wenig gemein hatten mit den Glamour- und Yuppie- Soaps der Achtziger. Joshua Brand und John Falsey, bestens beleumundet als Schöpfer von Serien wie „Ausgerechnet Alaska“ und „Tropical Doctors“, lieferten mit „I'll Fly Away“ ein ambitioniertes Format, in dem sie die innenpolitischen Konflikte der frühen Sechziger, vor allem den Kampf gegen die Rassendiskriminierung, im Rahmen einer nach den Konventionen der Familien- und Anwaltsserie gestalteten fortlaufenden Erzählung aufarbeiteten.

In ähnlicher Form widmete sich „Homefront“ der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch hier war eine Kleinstadt Schauplatz der problembeladenen Handlung, deren Autoren Zeitgeschichte anhand persönlicher Schicksale nachvollziehbar zu machen suchten: Heimkehrende Soldaten nahmen ihre Arbeitsplätze wieder ein; die Frauen, die sie zwischenzeitlich ersetzt hatten, wurden in überkommene Rollen zurückgedrängt. Arbeitgeber betrieben die Zerschlagung der Gewerkschaften; die zu Kriegszeiten gemilderte Diskriminierung der Afroamerikaner wurde in vollem Maße restauriert.

Auch dramatische Serien mit zeitgenössischen Inhalten boten nicht mehr nur puren Eskapismus. Politische und persönliche Korrumpierbarkeit war durchgängiges Thema von „The Round Table“; „Winnetka Road“ gab sich jung und frohgemut, und ließ doch stets eine gehörige Verstörung und Desorientiertheit, eine Art Pop- Existentialismus anscheinen. Keiner der genannten Serien waren nennenswerte Erfolge vergönnt. „The Roundtable“ und „Winnetka Road“ überstanden nicht einmal eine komplette Saison.

Gegenwärtig setzen die US- Programmveranstalter vorrangig auf Sitcoms mit jungen Protagonisten und programmatischen Titeln wie „The Pursuit of Happiness“ oder „Can't Hurry Love“. Dramatisches ist derzeit eher rar, aber ungemein schick aufgemacht. Schon beim Dauerbrenner „Melrose Place“ hatte man das zunächst einigermaßen bodenständige Konzept bald verworfen und mit Luxus und Lotterkram aufgeputzt. Der sich darob einstellende Erfolg rief förmlich nach einem Ableger: In „Models, Inc.“ versammelte die frühere „Dallas“-Schmerzensfrau Linda Gray als Inhaberin einer Modelagentur eine Riege schöner Menschen, die beständig in irgendeinen Harm verstrickt waren.

Der „Melrose Place“-Schöpfer Darren Star ist mittlerweile selbständig. Im letzten Jahr startete seine, ab heute bei RTL angesetzte, Mega-Soap „Central Park West“, mit der Star offenbar jegliche Konkurrenz in puncto Pracht und Prunk zu übertrumpfen trachtete. Namen wie Lauren Hutton, Mariel Hemingway und Raquel Welch verheißen Glamour; viele Szenen entstanden an Originalschauplätzen, so gibt es New Yorks schönste Postkartenansichten frei Haus. Hier wird von vornherein in der Oberliga gespielt, wo man eine Wohnung zum Mietpreis von 3.000 Dollar für ein Schnäppchen hält. Wohltätigkeitsbälle, Broker-Firmen, Redaktionen, Galerien markieren das Terrain. So siedelt also die resche Chefredakteurin Hemingway, ihren erfolglosen Schriftstellergatten im Schlepptau, aus Seattle nach New York über, um die Leitung eines Magazins zu übernehmen. Kaum im Amt, macht sie sich die Kolumnistin und Stieftochter des Herausgebers zur Feindin. Deren Bruder bemüht sich derweil um berufliche Anerkennung als Jurist, wobei ihm sein prominenter Name immens im Wege steht. Die Klatschpresse belauert jeden seiner Schritte, und Damen mit nicht immer lautersten Absichten suchen seine Bekanntschaft – der junge Kennedy und seine Leidensgenossen mögen bei dieser Figur Pate gestanden haben.

Wahrlich schwer ist es, sich dem Sog der brillant gemachten Pilotfolge zu entziehen. Hier wird eine Kabale angezettelt, dort eine Intrige in Gang gesetzt, und es wimmelt nachgerade von Charakterschweinen, deren Abstrafung man noch zu erleben hofft. Mit den champagnerumspülten Worten „Wir sehen uns“ entläßt uns Mädchen Amick ins offene Ende, und es steht zu befürchten, daß sie recht behält – man möchte schließlich wissen, wie die ganze Gaunerei weitergeht. Harald Keller