Via Datennetz ins Klassenzimmer

1.800 Schulen beteiligen sich an der Initiative „Schulen ans Netz“ von Bundesbildungsministerium und Telekom. Doch wie der Zugang zum Internet pädagogisch begleitet werden soll, ist noch umstritten  ■ Von Torsten Teichmann

Die virtuelle Computernetzwelt des Cyberspace macht auch vor Schulen nicht mehr halt. Mehr als 1.800 Schulen in Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen beginnen in den kommenden Wochen ihren Trip ins Internet. Strittig ist bei Politikern und Lehrern nur noch die inhaltliche Begleitung dieser Reise.

Die ausgewählten Schulen nehmen an einem Einstiegsprojekt der Initiative „Schulen ans Netz“ teil. Das Projekt wurde von Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers und Telekom-Chef Ron Sommer gegründet. Ziel ist es, die „Welt“ via Datennetz „in das Klassenzimmer zu holen“. Träger der Initiative sind Sponsoren. Allein die Telekom schießt 35 Millionen Mark zu. Diese Sponsoren finanzieren die Grundausstattung für die Auffahrt auf den virtuellen Datenhighway für die Schulen: ISDN-Anschlüsse, Multimedia-Computer, Software und Freieinheiten.

Doch der Weg ins Internet ist nicht unumstritten. Der Verein habe sich anfangs keine inhaltlichen oder pädagogischen Gedanken gamacht, kritisiert Manfred Jerusalem, Ressortleiter für Neue Medien bei der Kultusministerkonferenz (KMK). Mittlerweile versuchen die Vertreter der Länder in den Gremien von „Schulen ans Netz“ ihre Vorstellungen von pädagogischer Begleitung zu verwirklichen. Deshalb mußten die Schulen beispielsweise in ihren Anträgen ein konkretes Projekt, für das sie das Internet einsetzen wollen, beschreiben.

Dem SPD-Bundestagsabgeordneten Siegmar Mosdorf geht das noch nicht weit genug. Er fordert Internetunterricht und einen Internetführerschein für Jugendliche. „Alle Jugendlichen brauchen Medienkompetenz, um eine Spaltung der Gesellschaft in Nutzer der Medien und Nichtnutzer zu verhindern“, so der Abgeordnete.

Steht bald ein neues Schulfach auf dem Stundenplan: die „Medienerziehung“? Bislang gibt es bei den Kultusministern der Länder dafür keine Mehrheit. Zwar sollte das Datennetz nicht nur Unterrichtswerkzeug, sondern auch „Objekt der kritischen Untersuchung sein“, räumt Ressortleiter Jerusalem ein. Aber ein eigenständiges Unterrichtsfach sei bei der derzeitigen Haushaltslage nicht zu finanzieren.

Zudem wissen viele Lehrer nur wenig über Computer und Datenautobahnen. Die Skepsis gegenüber der neuen Technik ist groß. „Natürlich gibt es auf Seiten der Lehrer im Umgang mit dieser Technik die größeren Ängste“, sagt der stellvertretende Schulleiter Schwendler des Alexander- von-Humboldt-Gymnasiums in Berlin. Die Schule aus Köpenick ist bereits jetzt mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten. Neben den Redakteuren der Schülerzeitung Locus beteiligen sich daran die Fachbereiche Biologie, Englisch und Musik. Noch ist das Angebot klein. Neben Artikeln aus der Schülerzeitung werden der Biologierahmenplan und eine Kurzbiographie Humboldts angeboten. Doch es ist international: Seit kurzem gibt es die Homepage auch auf russisch. Im „Schul-Web“ bekam das Angebot des Gymnasiums sogar eine Eins.

An der Berliner Humboldt- Universität (HUB) wird zur Zeit der „deutsche Bildungsserver“ aufgebaut. Ohne ihn wäre auch das Projekt des Köpenicker Gymnasiums, das am Server mitgearbeitet hat, gar nicht möglich gewesen. Der Bildungsserver der HUB bietet internationale Schulprojekte an, zum Beispiel Ergebnisse über das Sezieren eines Frosches oder Insektenbilder von der Universität des amerikanischen Bundesstaates Iowa im Bereich Biologie. Und im Fachbereich Deutsch findet sich ein Verweis auf ein Internetangebot zur Rechtschreibreform.

„Das Suchen, Runterladen und Aufbereiten dieser Informationen ist für uns kein Problem“, erklärt Schwendler, der auch Informatiklehrer an seiner Schule ist. Nur die Präsentation im Unterricht macht noch Schwierigkeiten: 30 Schüler müssen dem Geschehen auf einem kleinen Monitor folgen. Bei der Initiative „Schulen ans Netz“ hat die Schule deshalb Displays für den Overheadprojektor beantragt.

Pures Herumsurfen in der globalen Cyberwelt lehnt Schwendler ab. Auch der Pädagogikprofessor Peter Diepolt, der mit am Bildungsserver der HUB arbeitet, sagt: „Schule ist keine Freizeit. Wenn überhaupt im Unterricht direkt auf das Internet zugegriffen werden soll, dann nur mit einer thematisch eng begrenzten und zeitlich beschränkten Aufgabe zum Recherchieren von Informationen.“ Diepolt hofft, daß das neue Werkzeug Kreativität und Motivation freisetzt, „die die Schule gebrauchen könnte“. Der SPD-Abgeordnete Mosdorf sieht hier die Chance, „mit unterschiedlichen Menschen aus allen Erdteilen kommunizieren zu können“.

Manfred Jerusalem interessieren auch die Nebeneffekte. Er geht davon aus, daß sich das Sozialverhalten ändern wird. „Von etwas Faszinierendem geht immer Autorität aus, die man nicht hinterfragt“, sagt er. Ob man der neuen Autorität im Klassenzimmer aber ohne zusätzliche Aufwendungen im regulären Unterricht gegensteuern kann, weiß er nicht.