Triumph ohne Ehrenrunde

■ Die tragische Figur Rodolfo Cardoso als einziger Wehrmutstropfen bei Werders 5:1 gegen Bochum / Morgen Pokalschlager in Oldenburg

Normalerweise ist bei einem 5:1-Sieg eine Ehrenrunde fällig. Nicht so beim SV Werder. Denn einen schwachen VfL Bochum zu Hause an die Wand zu spielen – „wie in alten Zeiten“, raunten sich Menschen mit gutem Gedächtnis auf den Tribünen zu – ist für ein Team mit UEFA-Cup-Ambitionen kein Grund zur Euphorie. „Wir sind auf einem guten Weg“, faßte Trainer Dixie Dörner dann auch sachlich zusammen und warnte gleich darauf vor dem schweren Gang zum Pokalspiel beim VFB Oldenburg am Dienstag.

Aber die in „So-ein-Tag-so-wunderschön-Überschwang“ gipfelnde Erleichterung des grün-weißen Anhangs ist verständlich: Das mimosenhafte Gekicke der Werderaner gegen zehn Mönchengladbacher Borussen vor zwei Wochen hatte auch gegen den ob seiner spielerischen Qualitäten hochgelobten Aufsteiger das Schlimmste befürchten lassen.

Wundersam, was sich binnen zwei Wochen in Kicker-Köpfen abspielen kann: Denn am Freitag war Feuer im Spiel und eine Leidenschaft, die Dieter „Superstar“ Eilts schon nach wenigen Minuten und einigen harten Attaken gegen Bochums „Zaubermaus“ Dariusz Wosz an den Rand der gelb-roten Karte brachte. Es war schon doll, wie etwa Jens Todt noch in der 86. Minute mit vier Toren Vorsprung im Rücken weit draußen in des Gegners Hälfte verbissen um jeden Einwurf fightete. So kaufte Werders Defensiv-Abteilung auch ohne Hany Ramzy (soll am Freitag beim Tabellenletzten MSV Duisburg wieder fit sein) dem Aufsteiger vom Anpfiff an den Schneid ab. „Eine Lehrstunde in aggressivem Zweikampfverhalten“ resümierte VfL-Coach Klaus Toppmöller.

Und im Angriff demonstrierte ein von Andi Herzog dirigiertes magisches Vieleck – allerdings gegen eine zaudernde VfL-Abwehr – höchst effiziente Zauberkunststücke: zuckerige Doppelpässe im Strafraum wie in der 17. Minute vor Marco Bodes 1:0. Genialische Hackentricks wie Labbadias Anspiel auf Bode, ehe der Torjäger den Abpraller zum 3:0 versenkte. Außenrist-Flanken zum Zungeschnalzen inklusive Volley-Schuß ins lange Eck wie bei der Kombination zwischen Christian Brand und Labbadia zum 5:0. Von Herzogs Freistoß-Kracher neben das Lattenkreuz gar nicht zu reden.

Nur einer rettete das Werder-Leid der ersten Saisonspiele in diesen ansonsten allseits gelungenen Freitagabend herüber: Rodolfo Cardoso. Nach dem Abpfiff trottete der von Trainer Dörner für 20 Sozialminuten für einen starken Newcomer Christian Brand aufs Spielfeld geschickte argentinische Spielmacher in spé mit Jens Todt, seinem Kumpel aus unbekümmerten Freiburger Tagen, zum Kabineneingang. Todt fiel dann nach ordentlich verrichteter Arbeit in leichten Trab, schüttelte ein paar Hände, bekam ein paar aufmunternde Klapse auf den Rücken. Cardoso blieb alleine zurück. Er ging langsam weiter. Niemand würdigte Werders teuersten Einkauf eines Blickes.

„Ja, ich habe Mitleid mit dem Rodolfo“, sagte Andi „Herzilein“ Herzog nach seiner besonders in der ersten Halbzeit atemberaubend starken Leistung inklusive Freistoß-Kracher zum 2:0. „In der letzten Saison ist es mir in München genauso gegangen“. Aber wie Dixie Dörner beteuert auch Herzog: „Der Rodolfo ist ein ausgezeichneter Fußballer, den werden wir noch brauchen“.

Am Freitag brauchte Werder den Argentinier nicht. Minutenlang stand Cardoso in der Schlußphase frei im halblinken Mittelfeld, wartete auf ein Anspiel. Doch die Kollegen schienen so aufs Herzilein geeicht, daß sie den zweiten Anwärter auf den Regisseursposten wohl für überflüssig hielten. Und auch der Ukrainer Viktor Skripnik muß schon einiges bieten, um André Wiedener oder Heiko Scholz aus dem Team zu drängen. Aber eine gutbesetzte Werder-Bank ist ja zur Abwechslung auch mal nicht schlecht. Joachim Fahrun