Archaische Klangbilder

■ Morgen bei den Roots Night im Schlachthof: Oberton- und Kehlkopfgesänge der Gruppe Huun-Huur-Tu aus Tuva

Wenn der Titel der Schlachthof-Reihe angemessen ist, dann sicher für das Konzert der vier Musiker von Huun-Huur-Tu. Denn in der Musik des Ensembles aus Tuva, das in Sibirien an der nordwestlichen Grenze der Mongolei liegt, finden sich die Wurzeln verschiedenster Musiktraditionen. Dazu gehören schamanische Ritualgesänge der Mongolen und verwandter Steppenvölker. Vielleicht bilden sie die Ursprünge klassischer chinesischer Musik, denn Stimmodulation und Melodiebögen wecken Assoziationen sowohl an chinesische Volksmusik wie an die chinesische Oper. Wohingegen die jauchzenden Kehlkopfgesänge der Gruppe an die Musik bulgarischer Chöre erinnern. Am faszinierendsten ist natürlich der Obertongesang bei dem sich über einem tiefen Grundton die natürlich mitschwingenden Obertöne zu einer gleichzeitig hörbaren sirrenden, pfeifenden Tonkette entwickeln. Diese archaischen Klangfarben werden durch seltsame Instrumente verstärkt. Darunter die Igil, eine zweisaitige Geige mit Pferdekopfhals, die vertikal gehalten und im Sitzen gespielt wird; die Langhalslaute Toschpulur; die große Rahmentrommel Dungur und die Rassel Dazhaaning Khavy, die aus Schafsknöcheln in einem Bullenhodensack besteht, beides rituelle Instrumente der Schamanen.

Huun-Huur-Tu bezeichnet die vertikale Trennung von Lichtstrahlen, die man oft über Gras- oder Weideland kurz nach Sonnenaufgang und kurz vor Sonnennuntergang sieht. Wie der Name der Gruppe Landschaftsstimmungen aufgreift, spiegelt sich auch in der Musik die Weite der Taigasteppen und die schamanische Tradition des ursprünglich nomadisierenden Hirtenvolkes wider. Allerdings sind Huun-Huur-Tu, die in den USA u.a. mit dem Kronos Quartet und Frank Zappa auftraten, keine musikalischen Traditionalisten. Klassischerweise traten die Musiker Tuvas als Solisten auf und waren auf einen bestimmten Stil spezialisiert. Mit ihrem Ensemblespiel wie mit dem stilübergreifenden Repertoire betritt die Gruppe Neuland, denn sie meint:“Wenn eine musikalische Tradition aufhört sich weiterzuentwickeln, ist sie zum Sterben verurteilt“.

Arnaud

Dienstag um 20.30 Uhr im Schlachthof