„Ein liebevoller Vater und Ehemann“

■ Wolf-Prozeß: Zwillingsschwester von Silke Wolf zeichnet Bild einer harmonischen Familie

„Meiner Schwester ging es gut, sie war zufrieden, und ich hatte nicht den Eindruck, daß sie irgendwas vermißt“. Die Zwillingsschwester von Silke Wolf zeichnete gestern vor dem Landgericht im Prozeß gegen ihren Schwager Carsten Wolf das Bild einer harmonischen Familie. Wolf, der angeklagt ist, im November des vergangenen Jahres seine Frau Silke und seine beiden Kinder getötet zu haben, war nach Aussagen seiner Schwägerin ein „liebevoller“ Vater und Ehemann.

„Mit Fabian hatte er nicht so die Geduld“, schränkt die junge Frau ein. „Aber er hat ihm oft etwas mitgebracht, wenn er von seinen Dienstreisen zurückkam. Ich glaube, er wollte damit ausgleichen, daß er so häufig weg war.“ Über Eheprobleme habe ihre Schwester nie geklagt. „Ich habe nie mitbekommen, daß die sich richtig gestritten hätten.“ „Manchmal kann Streit ja aber auch befreiend sein. Hatten Sie den Eindruck, daß Probleme in der Ehe Ihrer Schwester vielleicht verdrängt worden sind“, hakt die Richterin nach. Die Zwillingsschwester schüttelt den Kopf. „Wenn die sich mal ein bißchen gestritten haben, war es am nächsten Tag wieder vergessen.“

Nichts schien darauf hinzudeuten, daß Carsten Wolf sich mitunter offensichtlich in eine andere Welt flüchtete. Bei den beiden Prostituierten, die Wolf häufiger besucht haben soll und die zwischenzeitlich auch vor Gericht ausgesagt haben, gab Wolf sich beispielsweise als Samurai, Bodyguard oder Fallschirmspringer aus. Er soll den Frauen abenteuerliche Geschichten erzählt haben und versuchte offenbar, seine Erzählungen mit Briefen zu untermauern. Zweimal schrieb Wolf an eine der Frauen. Er sagte ein geplantes Treffen ab, weil er als Bodyguard bei Staatsbesuchen in Disneyland beschäftigt sei. Vier Tage später erhielt die Frau noch einen Brief – allerdings nicht von Carsten Wolf, sondern angeblich von einem seiner Brüder. Carsten gelte nach einem Einsatz in Bosnien als verschollen, schrieb „der Bruder“. Er werde ihn suchen. „Mit Hilfe von Quang Ho, dem Hauptmann der kaiserlichen Garde“.

„Hatten Sie den Eindruck, daß ihr Schwager eine blühende Phantasie hatte?“, will die Richterin wissen. Wieder schüttelt die Schwägerin den Kopf. „Er hat immer nur von seinen Geschäftsreisen erzählt. Und das war so real. Solche Geschichten hat er in unserer Familie nie erzählt.“ Nur einmal sei etwas Merkwürdiges geschehen, erinnert sich die Zwillingsschwester plötzlich. „Ich wünschte, ich wäre ganz weit weg“, soll Wolf unvermittelt bei einem Freimarktbummel zu einer Freundin von Silke Wolf gesagt haben. Die Freundin zog die Zwillingsschwester ins Vertrauen, weil „ihr die Sache irgendwie seltsam vorkam“, erinnert sich die Schwester vor Gericht. Auch die Schwägerin von Carsten Wolf soll nach dem Verschwinden von Silke Wolf und deren Kinder „merkwürdige“ Dinge von sich gegeben haben. „Jetzt kann seine erste Frau ihren zweiten Geburtstag feiern“, hat die Schwägerin von Carsten Wolf nach Aussagen der Zwillingsschwester gesagt, als sie die Nachricht vom Tod Silke Wolfs erhielt. Andere Angehörige wollen gehört haben, wie die Frau geschrien hat: „Was hat er nun schon wieder gemacht?“

Doch die Schwägerin will sich dazu nicht äußern. Sichtlich erregt betritt sie den Gerichtssaal. Als sich die Richterin bei ihr dafür entschuldigt, daß sie so lang auf dem Gerichtsflur warten mußte, haucht die Frau kaum hörbar ins Mikrophon: „Egal“. Die Richterin belehrt die Frau, die mit dem Bruder von Carsten Wolf verheiratet ist, daß sie als Schwägerin das Recht hat, die Aussage zu verweigern. „Ich möchte nicht aussagen“, antwortet die Frau mit zittriger Stimme. Gemurmel auf der Zuschauerbank. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, zischt eine Frau leise. „Pfui Deubel“, ruft eine andere Frau laut und ballt ihre Hand zur Faust. Schnellen Schrittes verläßt die Schwägerin den Gerichtssaal. Carsten Wolf würdigt sie keines Blickes. Der Prozeß wird fortgesetzt.

kes