Das Paradies kommt am 1. Advent

Die Landesmedienanstalt bescherte dem privaten Kirchenradio Paradiso eine starke UKW-Frequenz trotz Empfehlung der kirchlichen Auslandsgemeinden, die Frequenz an „MultiKulti“ zu vergeben  ■ Von Gunnar Leue

Radio Paradiso klingt nach Urlaub, Strand und Sonne. Doch der Name steht nicht etwa für Neckermann-Ferienfunk auf Gran Canaria. Radio Paradiso ist ein Projekt der Evangelischen Kirche und soll weniger Rauschkulisse für weltlichen Müßiggang als vielmehr den Hörern ein „christlicher Begleiter durch den Alltag“ sein.

Ab dem 1. Advent zunächst in Berlin und später im ganzen Bundesgebiet. Den Segen der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg bekam Paradiso am vergangenen Freitag und gleichzeitig die reichweitenstarke UKW-Frequenz 98,2 MHz, die bislang Soft Hit Radio hielt. Anstelle von Kuschelrock und Popmessages gibt's bald christliche Botschaften. Noch kurz vor der Entscheidung hatten sich Vertreter ausländischer Kirchengemeinden für eine Vergabe der Frequenz an das Radio „MultiKulti“ des Senders Freies Berlin ausgesprochen, weil sich dessen religiöses Programm auch an die von Ausländern getragenen christlichen Gemeinden wende. Ohne Erfolg, was beim Wellenchef von „MultiKulti“, Dr. Friedrich Voß, einige Enttäuschung auslöste. Schließlich sei das Votum irgendwo auch ein „rundfunkpolitisches Zeichen“. So werde seinem Sender von allen Seiten ein großer medienpolitischer Stellenwert bescheinigt. Andererseits jedoch könne man auf der Frequenz 106,8 MHz nur knapp die Hälfte aller 439.000 in Berlin gemeldeten Ausländer erreichen. Empfangsprobleme gebe es ausgerechnet in Kreuzberg, Wedding, Teilen von Schöneberg und rund um den Alex. Deshalb hatte der SFB sich um einen Frequenz-Tausch mit Radio Paradiso bemüht.

Ein Stein vom Herzen gefallen sein dürfte dagegen Rainer Thun, Direktor des Evangelischen Presseverbandes Nord. Er hat das Projekt Paradiso wesentlich mit angeschoben und kümmert sich auch um die Gewinnung von Gesellschaftern für das private Christenradio. Rund 30 sind seinem Ansinnen bereits gefolgt. Dennoch ist er nicht zufrieden, denn einige Umworbene zieren sich noch. Unter anderem die ostdeutschen Landeskirchen in Mecklenburg, Sachsen und Thüringen. Die einen wissen nicht recht, die anderen wollen schon, haben aber kein Geld. „Gottes Mühlen mahlen langsam, aber die kirchlichen noch langsamer“, beschreibt Thun die Schwierigkeiten seines Jobs.

Daß die Vorbereitungen für das religiöse Spartenprogramm keineswegs ein himmliches Vergnügen sind, hat freilich noch andere Ursachen. Befürchten doch manche Kirchenleute, der Einstieg ins Privatradio könnte den (unfreiwilligen) Ausstieg aus dem öffentlich- rechtlichen Rundfunk beschleunigen und zu einer „medialen Ghettoisierung“ führen. Die nicht geringe Präsenz in den Programmen der gebührenfinanzierten Anstalten ist nämlich keineswegs Lohn für hohe Quoten.

Rainer Thun gewinnt dagegen der künftigen Konkurrenz zwischen privaten und öffentlich- rechtlichen kirchlichen Sendungen sogar Gutes ab: „Die kirchlichen Redakteure und Rundfunkbeauftragten der Kirchen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kämen vielleicht unter größeren Leistungsdruck.“

Eine ganz andere Frage ist, ob sich der Missionsfunk wirtschaftlich trägt. Auf dem Berliner Radiomarkt geht es rauh, aber nicht herzlich zu. Rainer Thun glaubt jedoch, in so einem großen Markt müsse es „auch ein paar Leute geben, die Interesse daran haben, sich über die Themen der Welt vor chistlichem Hintergrund informieren zu lassen“. Bis die als Quote erfaßt sind, fühlt er sich vorerst durch das enorme Medieninteresse im Vorfeld des Paradiso-Starts bestätigt.

Damit der Kirchenkanal keine Geld-Sickergrube wird, heißt das oberste Gebot des Wirtschaftens: Sparsamkeit. Thun will die Infrastruktur seiner Gesellschafter nutzen. Kirchenredaktionen für die landesweiten Privatradios, deren Unterhaltung jährlich mehrere Millionen Mark kostet, gibt es unter anderem in München, Karlsruhe, Stuttgart, Leipzig und Hamburg. Diese Korrespondentenbüros und mit modernster Technik ausgestatteten Studios sollen die nur fünf festen Redakteure in der Berliner Zentralredaktion unterstützen. Das 24stündige Spartenprogramm soll im wesentlichen aus Sponsoring, Werbung und Sonderwerbeformen finanziert werden.

Daß die Sponsoren nicht in einen langweiligen Sprechfunk investieren, dafür will Thun mit einem „attraktiven Unterhaltungsprogramm“ sorgen. Natürlich werde es Andachten und Talkshows mit religiösen Themen geben, aber auch viel Musik. Während der Manager der Kirche beispielsweise Showaddywaddy mit „Three Steps To Heaven“ noch Aufnahme ins Paradiso gewähren will, müsse AC/DC mit „Highway to Hell“ draußen bleiben.