Besser und billiger ist nicht erwünscht

■ Die Unterbringung von psychisch Kranken in Wohnungen statt in Kliniken kommt nicht voran. Senat schuldet freien Trägern Millionen

Der Amtsschimmel treibt sein Unwesen. Opfer ist diesmal das Enthospitalisierungsprogramm, mit dem bis Ende 1998 rund 1.500 Krankenhausbetten im Psychiatriebereich zugunsten ambulanter Angebote abgebaut werden sollen. Neben mehr Lebensqualität für die Betroffenen haben die Verantwortlichen auch beträchtliche Einsparungen im Visier.

Voran geht es trotzdem nicht, wie der Landesvorsitzende des Unionhilfswerks (UHW), Dieter Krebs, kritisiert. Der Verein hat bereits im November 1995 für siebzehn Klinik-Patienten fünf Wohnungen in Tiergarten angemietet, die noch immer leer stehen. Hintergrund sei die Weigerung der Finanzverwaltung, die vorgeschossenen Mittel von insgesamt 426.000 Mark, davon 106.000 Mark für den Ausbau und 156.000 Mark für die Ausstattung der Quartiere, freizugeben, betont Unionhilfswerk- Chef Krebs. Die Entscheidung der Behörde sei um so widersinniger, als das Land über diesen Weg letztlich seine Aufwendungen etwa halbieren könnte, ergänzt UHW- Fachbereichsleiter Norbert Prochnow. Während in einem Krankenhaus für die Betroffenen pro Kopf täglich rund 400 Mark zu entrichten sind, liegt der Tagessatz in einer betreuten Wohnung nur bei rund 230 Mark.

Zudem müsse der Senat die Kosten für den Ausbau der Wohnungen gar nicht aus dem laufenden Etat aufbringen, sagt Prochnow. Er verweist auf eine Vereinbarung zwischen Senat und Krankenkassen vom September 1994. Danach werden dem Land Berlin ab 1996 und verteilt über vier Jahre insgesamt 60 Millionen Mark für den Aufbau derartiger ambulanter Einrichtungen bereitgestellt. Wohin das Geld geflossen ist, wisse er nicht, betont Prochnow. Das Unionhilfswerk habe jedenfalls bisher keinen Pfennig erhalten.

Neben dem rein finanztechnischen Problem ist die Verzögerung des Projekts den Betroffenen kaum noch zuzumuten, klagt Prochnow. Der Verein hatte im Dezember vergangenen Jahres extra zwei Mitarbeiter eingestellt, die die teilweise seit fünfzehn Jahren in der Klinik lebenden Menschen feinfühlig auf den Ortswechsel vorbereiten sollten. Jetzt, wo die Männer und Frauen für den Umzug in die Wohnungen offen sind, müßten sie ständig vertröstet werden. Schließlich sind bereits vier Termine zum Start des Projekts geplatzt.

Der Umgang mit dem UHW ist durchaus kein Einzelfall, wie Christine Christmann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband bestätigt. Nach ihren Angaben liegen gegenwärtig 15 derartige Projekte in zwölf Bezirken auf Eis. Einige Mittel sind inzwischen zwar bewilligt, aber noch nicht angekommen. Die Außenstände belaufen sich insgesamt auf über vier Millionen Mark.

Seit etwa zwei Jahren werden die Vereine hingehalten, bedauert Frau Christmann. Zahllose Briefe und Gespräche mit den Senatsverwaltungen für Gesundheit und Soziales sowie Finanzen und den betroffenen Bezirksverwaltungen hätten nichts gebracht. Vielmehr werde der „Schwarze Peter“ zwischen den Behörden hin und her geschoben.

Es sei ein einziger Skandal, sagt Frau Christmann verbittert. Dabei könnte nach Meinung von Experten das bürokratische Antragsverfahren ganz schnell vereinfacht werden. Möglicherweise, so vermutet inzwischen der Paritätische Wohlfahrtsverband, sei dies aber politisch nicht mehr gewollt. Christina Schultze/ADN