Das Portrait
: Straffreier Mörder in Kambodscha

■ Ieng Sary

Ieng Sary zeichnet sich in diesen Tagen durch ein auffällig breites Lachen aus. Mit gutem Grund: Kambodschas König Sihanouk hat den Politiker, der 1979 gemeinsam mit Parteichef Pol Pot wegen seiner Verantwortung für die Verbrechen der Roten Khmer zum Tode verurteilt wurde, am Samstag mit einem Federstrich amnestiert. Jetzt kann der 67jährige ehemalige Vizepremier und Außenminister des Rote- Khmer-Regimes, unter dessen Herrschaft 1975 bis 1978 mehr als eine Million Menschen umkamen, sich auf einen wohlversorgten Lebensabend freuen.

Seit der gemeinsamen Studienzeit in Frankreich in den fünfziger Jahren gehörte Ieng Sary zum engsten Kreis der Vertrauten um Pol Pot. Beide heirateten Schwestern, lebten jahrelang unter einem Dach und zogen sich in den sechziger Jahren gemeinsam in den Dschungel zurück, als Sihanouk, damals Regierungschef, die Kommunisten scharf verfolgte.

Nachdem die Bauernarmee der Roten Khmer 1975 die Hauptstadt Phnom Penh eroberte und die Macht übernahm, wurde Ieng Sary als Außenminister einer der bekanntesten Köpfe des abgeschotteten Regimes. Die brutale Vertreibung der Bevölkerung Phnom Penhs verteidigte er als notwendige hygienische Maßnahme gegen die „bürgerliche Dekadenz“. Er selbst hingegen mochte auf Champagner, Dienerschaft und andere Annehmlichkeiten nicht verzichten, ließ seine Tochter im Ausland studieren, wie es in Phnom Penh heißt. Nach dem Einmarsch der vietnamesischen Truppen Anfang 1979 flohen die Führer der Roten Khmer über die Grenze nach Thailand.

Anfang August wurde bekannt, daß Ieng Sary mit Pol Pot gebrochen hatte. Während der harte Kern der Organisation die Parole „Kämpfen bis zum Ende“ ausgegeben hatte, plädierte Ieng Sary für Verhandlungen. Jetzt erklärte er gar, er wolle für die „nationale Versöhnung und Einheit“ arbeiten. Er bereue nichts, denn alle Entscheidungen seien nur von „Bruder Nr. 1 Pol Pot allein zu verantworten – als Nr. 6 in der Parteihierarchie habe er nichts zu melden gehabt. Schon in der Studienzeit in Frankreich habe er die Demokratie lieben gelernt. Die Kambodschaner sollten endlich „die Vergangenheit ruhen lassen“. Jutta Lietsch, Phnom Penh