Zahlenspiele der OSZE

■ Nach den Wahlen verbreitet die OSZE Falschmeldungen. Ihre Vertreter könnten sogar gegen Dayton verstoßen haben

Sarajevo – Das Gelächter unter den 300 Journalisten im Pressezentrum der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) war kaum verklungen, da hob es schon wieder an. Denn die Sprecher der OSZE konnten fast keine Frage zu den Wahlen in Bosnien beantworten. Der Standardsatz lautete: „Wir müssen dies erst nachprüfen.“

Offenbar ganz genau aber kannten die Repäsentanten der OSZE schon kurz nach Schließung der Wahllokale die Wahlbeteiligung: zwischen 60 und 70 Prozent. Gestern mußten die OSZE-Vertreter zugeben, daß sie nicht einmal annähernd wüßten, wie viele Wähler in Bosnien überhaupt registriert sind. „Die Wahlen sollen auf jeden Fall als demokratische und als Erfolg verkauft werden“, erklärte sich ein kritisches OSZE-Mitglied diese Information. „Die US-Regierung will die Wahlen in Bosnien in ihrem Wahlkampf einsetzen.“

US-Senatoren äußerten sich jedoch gestern weit kritischer als die OSZE. So erklärten sie, die Anzahl derjenigen Wähler, die nicht registriert waren, liege bei 10 bis 15 Prozent. Dagegen erklärten Sprecher der OSZE, nur einige hundert solcher Fälle seien bekannt.

Auch zur Anzahl der Personen, die aus der muslimisch-kroatischen Föderation auf die serbische Seite wählen gegangen waren, wurden am Sonntag falsche Angaben gemacht. Statt der genannten 28.000 waren es lediglich 13.500, wie sich die OSZE korrigieren mußte. Dagegen fuhren 1.500 Personen von der serbischen Seite auf das Gebiet der Föderation.

Auch wenn die Statistiken noch nicht vollständig vorlagen, so sind vor allem jene Fälle zu kritisieren, wo OSZE-Mitarbeiter gegen die selbst aufgestellten Regeln verstoßen haben. So haben OSZE-Mitarbeiter muslimische Wähler, die in der Republika Srpska wählen wollten, nicht dabei unterstützt, dies in ihren Heimatorten zu tun. Statt dessen unterstützten sie mehrfach die serbischen Behörden, muslimische Wähler in Wahllokale abseits der Heimatorte zu lenken. Noch ist unklar, ob diese Maßnahmen auf höchster Ebene abgesprochen waren. In beiden Fällen wäre dies ein eklatanter Verstoß gegen die in Dayton vereinbarte Bewegungsfreiheit.

Darüber hinaus waren diese offenbar nicht registrierten Wahllokale auf serbischer Seite speziell für Wähler aus der Föderation angelegt worden. Für Serben gab es andere Wahllokale. Mehrfach befanden sich beide Wahllokale im gleichen Gebäude. Dieses „Apartheidssystem“ wurde offiziell von der OSZE nicht kritisiert. Im Gegenteil: Der Leiter der internationalen Pressekonferenz, Michael McKay erklärte sogar, ein Muslim hätte geäußert, er wolle getrennt abstimmen. Erich Rathfelder