Heftiges Kurbeln am Umsatz

Für Wald- und WiesenknipserInnen wollen die großen Film- und Kamerakonzerne ein „Advanced Photo System“ in den Markt drücken  ■ Aus Berlin Reiner Metzger

Die wichtigste Photokina aller Zeiten“ sei die heute in Köln beginnende, meint der Geschäftsführer des Bundesverbands des deutschen Fotofachhandels, Willy Fischel. Was Fischel gleich in die historische Dimension projiziert, ist das „Advanced Photo System“ (APS). APS ist ein neuer Standard bei Filmen und Kameras und soll die bisherigen Kompaktkameras mit den bekannten Kleinbildfilmen ersetzen.

Eigentlich sollte APS schon im April groß rauskommen. Den urspünglichen Entwicklern des neuen Filmformats – Eastman Kodak, Fuji, Canon, Nikon und Minolta – hatten sich die restlichen Großen der Branche angeschlossen. Doch es gab kaum APS-Kameras zu kaufen.

Die Händler sind erst mal wenig begeistert und hoffen nun auf die Photokina. Denn einen neuen Schub in ihrem Geschäft haben sie bitter nötig: In den Industrieländern ist der Markt für Kameras weitgehend gesättigt. In Deutschland war der Amateurmarkt sogar leicht rückläufig und lag im letzten Jahr bei sechs Milliarden Mark. Nur der Absatz der Bilder stieg 1995 auf 177 Millionen Filme in Deutschland. Die kleinen Händler werden dabei noch von der zunehmenden Präsenz großer Handelsketten in die Knie gezwungen: Die können billiger anbieten, weil sie größere Mengen zu niedrigeren Preisen einkaufen.

APS soll nun die Konsumenten zum Kauf bewegen. Der Photoindustrie-Verband erwartet, daß sich das neue System bis zum Jahr 2000 durchsetzt und bis dann ein Fünftel des Marktes erobert haben wird. Das Hauptargument der APS- Werber: Der Film ist kleiner als die bisherigen Kleinbildfilme, daher sind auch die Kameras kompakter. Außerdem wird der Film nur noch wie eine Patrone eingelegt. Spannen und weitertransportieren regelt dann die Kamera von alleine. Fummeln mit der Filmlasche wie bisher entfällt. Wer künftig den neuen Film zum Entwicklen trägt, erhält keine Negative mehr, sondern einen kleinformatigen Ausdruck seiner Bilder.

Am Rand des Films wird ein Magnetstreifen hinzukommen. Auf ihm können Datum und Uhrzeit des Bildes gespeichert werden, bei einigen Kameramodellen auch gleich, wie viele Abzüge gewünscht werden. KundInnen können auch an der Kamera wählen, welches Bildformat sie haben wollen: die Seitenlängen im Verhältnis zwei zu drei wie bisher, eins zu drei oder im künftigen Fernsehformat sechzehn zu neun.

Keine Dias, keine Schwarzweißabzüge

Ob diese Vorteile reichen, um den seit Jahrzehnten etablierten Kleinbildfilm zu verdrängen, bezweifeln viele in der Branche. Die Schärfe der Bilder steigt prinzipiell nicht – im Gegenteil. Schließlich ist das neue Negativformat kleiner als das bisherige. Die Negative müssen also für die gleiche Bildergröße etwas stärker vergrößert werden, was die Qualität kaum bessert. Die Informationen zum Entwicklen auf dem Magnetstreifen mußten bisher extra angegeben werden, zum Beipiel auf auf der Papiertasche im Entwicklungslabor. Sie bringen KundInnen aber keine prinzipiell neuen Möglichkeiten.

Viele werden also beim alten Kleinbildfilm bleiben. Dort haben sie auch eine größere Auswahl an Kameramodellen. Und die technischen Freaks, die immer das Neueste haben müssen, werden weiter auf die eigentliche Neuerung der letzten Jahre warten: die digitale Kamera. Dort werden Bilder nicht mehr auf einen chemischen Film gebannt, sondern gleich digital auf einer Art Festplatte in der Kamera gespeichert. Von dort kann das Bild sofort in den Computer eingegeben werden – ohne Entwicklung. Anders als beim alten Kleinbildfilm oder beim neuen APS sind keine teuren Lesegeräte für Bilder nötig, um Fotos für die Weiterverarbeitung mit dem Rechner verfügbar zu machen.

Digitale Kameras gibt es in guter Qualität bisher nur für Profis, mit Preisen von meist über 10.000 Mark. Exemplare unter 1.000 Mark für den ambitionierten Amateur haben nur die Bildauflösung eines mittelmäßigen Tintenstrahldruckers, wie ihn viele zu Hause stehen haben. Das Interesse bei Messen für die digitalen Dinger war trotzdem groß, denn damit wird der Markt der Computernutzer erschlossen. Jeder kann damit sein eigener Bildfälscher werden.