Für den Sportsmann

Zwischen Fußballstadion, Alltags-Devotionalien und Museum: Olaf Metzel zeigt Arbeiten zum „Freizeitpark“ im Münchner Lenbachhaus  ■ Von Claudia Büttner

Die Akademie kann zu einer Falle werden, denn Kunst lehren und lernen heißt, eine bestimmte Art von Aufmerksamkeitstraining zu betreiben. Und diese Aufmerksamkeit kann sich nicht nur auf die Akademie richten“, warnt Walter Grasskamp im Katalog „Küssen oder Fahrradfahren“ der Meisterschülerklasse von Olaf Metzel. Tatsächlich gilt diese Art alltäglicher Erfahrung nicht bloß für das Leben der Studenten. Der Münchner Akademiepräsident selbst arbeitet kaum anders.

„Die einen gehen ins Museum, andere ins Stadion, manche tun beides.“ Mit diesem Slogan hatte sich der begeisterte Amateurkicker Metzel selbstironisch auf der letztjährigen Biennale in Istanbul für die Begegnung von Fußballkultur und Kunst stark gemacht. Im Ausstellungsgebäude baute er einen Kiosk mit Fandevotionalien von Beșiktaș Istanbul auf, lud die Fußballer ein und machte so aus seiner Pressevorführung eine Autogrammstunde mit ihrem damaligen Trainer Christoph Daum.

Indem er die angeschlagene Mannschaft des türkischen Fußballmeisters Beșiktaș an der Gestaltung seines künstlerischen Beitrags mit Souvenirs und Autogrammen beteiligte, erzielte er für die türkische Biennale bisher unerreichte Aufmerksamkeit und Besucherzahlen und verschaffte den in der Tabelle abgeschlagenen Fußballern wieder ein bißchen Renommee. Mit der gegenseitigen Popularisierung wurde aber auch die beiderseitige Medienabhängigkeit sichtbar, die Metzel interessiert. Die Gefahr, zu reiner PR degradiert zu werden, liegt nahe.

Für die Ausstellung in München hat sich Metzel nun an einem Kanzlerwort abgearbeitet. „Freizeitpark im Kunstbau der Stadt“ ist als Retrospektive mit Installationen der letzten fünf Jahre angelegt. Im Ausstellungskatalog bestimmt Metzel sein Vorgehen: „Die einen beanspruchen für sich das Seriöse, die anderen Unterhaltung. (...) Wenn Claudia Schiffer vor einem Bild von Katharina Fritsch posiert, was bedeutet das? Es geht um Kohle, Sponsoring und Verteilung. Das sind Fragen, die natürlich in die Kunst reinspielen. Es geht mir um das weitere Aufweichen dieser tradierten Geschichten, die von sich aus im Auflösungsprozeß begriffen sind.“ Metzel arbeitet an Installationen, die nicht nur die Auflösung des klassischen Künstlerbilds dokumentieren, sondern auch neue Verfahren erproben.

Dabei ist die Arbeit für Istanbul lediglich im Katalog dokumentiert, in der Münchner Ausstellung fehlt sie, weil solcherart Devotionalien dort nur wie Souvenirs wirken würden. Das liegt auch am „Kunstbau“ im U-Bahnschacht. Poliertes Parkett, eine langgestreckte Rampe, dezentes Licht, allenfalls erinnern die vor dicken Scheiben auf- und niederfahrenden Rolltreppen zum U-Bahnhof an die Lage des Raums. Metzel, sichtbar unzufrieden mit der schicken Architektur, hat, statt Installation an Installation zu reihen, ein Drittel der Halle leergehalten und lediglich um acht Pfeiler eine doppelläufige Fahrbahnleitplanke und gelbe Straßenlichter montieren lassen. Mit diesem Gang um die Endlosschleife, „Erst rechts, dann links, dann immer geradeaus“, wird auch das zuvor vielleicht distanzierend über Kunst und Freizeitkultur sinnierende Publikum zum Teilnehmer des Freizeitparks.

Neben dieser Arbeit sind bekannte Werke aus den letzten fünf Jahren zu sehen, etwa das chaotische Wirrwarr aus Stricken, Tarnnetzen und von der Decke baumelnden Zelten mit dem verharmlosenden Titel „Im Grünen“ (1992) oder das zertrümmerte Basketballfeld zum Spielstand „112:104“ (1991). Sie werden mit neuen Arrangements wie „Auf Wiedersehen“ ergänzt – ineinandergeschobene Sporttribünen, Handballtor und Drehkreuz.

Der sich als „Installateur“ bezeichnende Künstler arbeitet mit Materialien, Gegenständen und Themen der Alltagskultur, aus deren Kombination sich Markierungen und klar ausgerichtete Diskussionsangebote ergeben – „Schlagzeilen“. Wie bei seinen Arbeiten auf Straßen und Plätzen, mit denen er in den achtziger Jahren zum Teil großen Mißmut erregte (in Berlin wollte man 1988 seine Absperrgittersäule am Ku'damm abreißen lassen), reagiert Metzel auch im Ausstellungsraum inhaltlich auf die architektonische Situation.

Was zunächst als Präsentation seines dekonstruktivistischen Umgangs mit Zeichen zu den Themen Sport, Freizeitgestaltung und Kunst daherkommt, verdichtet sich auf dem Parcours zum Kommentar auf die Freizeitgesellschaft, die auch die Karikatur des flanierenden Kunstkonsumenten nicht ausspart. Der Betrieb spiegelt sich in seinen Arbeiten aus der Perspektive des Tourismus wider.

Darüber hinaus nutzt Metzel in München den Katalog für weiterreichende Essays zum Thema. Von aufwendig gestalteten Fotoseiten über die Aktion in Istanbul oder Auszügen aus Broschüren der Bundesanstalt für Arbeit umgeben, kommen unter anderem der Poptheoretiker Dietrich Diedrichsen und die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz zu Wort. Während Diedrichsen die Beziehungen zwischen Sport, Techno und Drogen darlegt und die bundesdeutsche Drogenpolitik kritisiert, schildert Streeruwitz in ihrem „Micromännerroman“ das enge Verhältnis von Arbeitslosigkeit und Freizeitgestaltung.

Statt des zuweilen formalisierten und reichlich abstrakten Vorgehens in der „Kontextkunst“, die sich auch um die Ausweitung und Analyse des Kunstbegriffs bemüht, bezieht Metzel ganz selbstverständlich alle Ebenen der Kultur in die Kunst ein. Darüber hinaus macht er sie, wie der Katalog seiner Meisterklasse zeigt, zur Grundlage künstlerischer Ausbildung. Fußball, Popmusik und Müllprobleme sind gegenüber Kunstgeschichte und Geschichte gleichwertige Themen. Daß dieses Zusammenspiel am Ende noch im Museum funktioniert, ist Metzels Stärke als Künstler und als Lehrer – auch wenn die Süddeutsche Zeitung in seine für den Bundestag geplante Installation „röhrende Hirsche “ hineininterpretiert. Für Metzel heißt das Geflecht aus Fahrradständern einfach „Meistdeutigkeit“.

Olaf Metzel: „Freizeitpark im Kunstbau der Stadt“. Galerie im Lenbachhaus, München. Bis 6. Oktober, Katalog, 192 S., 42 DM