Neulich an der Bar mit dem Abräumer

Das Buch von Dennis Rodman, dem buntesten Basketballer, tätowiertesten Schwatzmaul und unterbezahltesten Publikumsliebling der NBA, ist neuerdings auf deutsch lesbar – oder auch nicht  ■ Von Thomas Winkler

Sitze ich da in dieser Bar in Chicago und nippe an meinem Gimlet. Und wie das manchmal so geht, spricht mich mein Thekennachbar an, ein Typ mit ziemlich bunten Haaren. Ob mich sein Leben interessieren würde, das wäre nämlich „wie ein Roman“ abgelaufen. Ich kann nicht mal piep sagen, dann legt er schon los und ist nicht mehr zu stoppen.

Als würden wir uns schon seit Jahren kennen, erzählt er mir gleich von seinem Truck, in dem er saß, und „dem endlosen Asphalt“ eines Parkplatzes irgendwo in Detroit, über den er damals starrte. Ein Gewehr hätte er auf dem Schoß liegen gehabt und überlegt, ob er sich „umbringen solle“. Hat er aber dann nicht getan. Warum, ist mir jetzt gerade entfallen.

Auf jeden Fall hört der Typ nicht mehr auf. Zuerst muß ich mir dieses ganze Zeug anhören von seiner schweren Kindheit ohne Vater, daß er geklaut hat und überhaupt ziemlich daneben war, bis er da rausgekommen ist. Irgendwie am Rande bekomme ich mit, daß er inzwischen wohl Basketballspieler ist, ständig Pearl Jam hört und mal was mit einer „coolen Tussi“ namens Madonna hatte. Die sei zwar eine „Körperexpertin“, der Sex mit ihr war aber wohl „nicht sensationell, nur befriedigend“. Ansonsten muß die Frau aber ganz knorke sein, „lieb“, wie er sagt. Die Sache ist wohl inzwischen vorbei, aber ein Kind wollte sie damals unbedingt von ihm. Er hatte aber schon eins, also wurde nichts draus.

Und während ich mich noch frage, warum er ausgerechnet mir das alles erzählt, fängt er schon tierisch an zu schimpfen über die anderen Basketballspieler. Wenn ich das richtig verstehe, haben die sich wohl in einer Organisation namens NBA zusammengeschlossen und kassieren einen großen Batzen Geld dabei. Jedenfalls verdienen die meisten mehr als er, was ihn ziemlich wurmt, weil er doch viel besser sei. Der „Arsch vom Dienst“ ist er für die anderen, meint er, und die seien überhaupt alle „Bubis“ und „Hätschelkinder“. Der größte Loser überhaupt ist wohl ein Typ namens David Robinson, dem er immer unter die Arme greifen mußte, sonst bekam der gar nichts gebacken.

Ich nicke immer schön, weil da schon die nächste Tirade kommt. Diese Basketballspieler sind offensichtlich sexuell unheimlich begehrt und „rammeln wie die Karnickel“. Das behauptet er jedenfalls. Auf jeden Fall würden die sich gar nicht um Aids scheren. So ganz wird mir aber nicht klar, ob es bei ihm besser ist, weil über den Gebrauch von Präservativen läßt er sich nicht weiter aus. Wie war das denn zum Beispiel bei dieser Madonna, werfe ich ein, als er gerade mal Luft holt, aber er hört gar nicht hin. Statt dessen erklärt er mir, er hätte „vermutlich mehr für die Anerkennung von Schwulen getan als irgendein anderer Profisportler“. Weil nämlich, er hat sich bei irgendwelchen Spielen, die er Play-off-Serie nannte, mal eine Aids-Schleife ins Haar färben lassen. So was, Haarefärben und so, findet er wohl unheimlich toll.

So geht das dann weiter. Der Typ ist ja ganz nett und auch leidlich unterhaltsam, aber ständig wechselt er unvermittelt das Thema und wiederholt sich auch noch ständig. Ich erfahre eigentlich nichts über all die Sachen, von denen er so redet, vom Basketball schon gleich gar nicht. Dann fängt er wieder mit diesem Selbstmordkram an. Einerseits behauptet er ständig, er wäre nicht todessehnsüchtig, und Drogen hätte er auch noch nie genommen, andererseits quasselt er dauernd davon. Wenn er „keine Ziele und Träume“ mehr hätte, dann wolle er sich „eine Knarre nehmen“ und sich „in den Kopf schießen“. Ich wünsche ihm lieber nicht viel Erfolg dabei, weil, ich will ihn nicht wütend machen, denn der Typ ist ziemlich groß und ziemlich kräftig. Bloß, wie werde ich den wieder los? Der lamentiert und meckert und mosert, daß man gar nicht mehr zuhören mag.

Irgendwann bringe ich ihn schließlich dazu, mir zu erzählen, wie es ihn denn hierher nach Chicago verschlagen hat. Das ist aber auch ein Fehler, denn nun schimpft er erst mal ganz ausführlich über San Antonio, wo er vorher wohnte und was wohl ein ganz spießiges Kaff irgendwo in Texas ist. Dort hatten sie seiner Meinung nach nicht allzuviel Ahnung vom Basketballspielen und seien ihm außerdem ständig „in den Rücken gefallen“. Hat ihm jedenfalls nicht so gut gepaßt da. In Chicago seien die Leute „cool“, und der Trainer hier hätte auch schon mal LSD genommen. Er würde zwar auch mit denen nicht allzuviel reden, aber sonst laufe alles prima.

Ich ergreife die Gelegenheit beim Schopf, meine, das freue mich aber für ihn, und versuche schnell Land zu gewinnen. Als ich gerade gehe, ruft er mir noch hinterher: „Wenn dir danach ist, zieh dir an, was du gerade willst!“ Ich schaue zurück, und erst jetzt fällt mir auf, daß er Pumps trägt.

Dennis Rodman (mit Tim Keown): „Der Abräumer – Bad As I Wanna Be“. dtv, 320 Seiten, 28 DM