Eine Präsidentschaft von hoher Symbolik

Bei den Bosnienwahlen liegt der muslimische Präsident noch vor dem serbischen Kandidaten  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Euphorie kommt in Sarajevo nicht gerade auf. Denn die Wahlergebnisse für die drei Sitze im Präsidentschaftsrat für den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina bestätigen nur, was von den meisten Beobachtern erwartet wurde. Die Kandidaten der nationalistischen Parteien aus den drei Volksgruppen haben sich durchgesetzt. Es geht jetzt nur noch darum festzustellen, ob der Muslim Alija Izetbegović vor dem Serben Momcilo Krajisnik liegt. Denn wer die meisten Stimmen bekommt, wird für zwei Jahre Vorsitzender der Präsidentschaft, ein Posten von hoher Symbolik. Von den Wahlen zum Gesamtparlament und den Parlamenten der Teilrepubliken liegen gerade mal erste Tendenzen vor.

Das komplizierte Wahlsystem spiele nur den Nationalisten in die Hände, hatten schon vor der Wahl Kritiker moniert. Denn jede Volksgruppe wählt ihren Kandidaten in die Präsidentschaft. Oder anders gesagt: In der Republika Srpska stehen für diesen Posten ausschließlich Serben zur Wahl – heimkehrende muslimische Vertriebene mußten sich für einen dieser Kandidaten entscheiden. Im bosniakisch kontrollierten Gebiet nur Muslime und dann auch folgerichtig in dem kroatisch kontrollierten Gebiet Herceg-Bosna nur Kroaten.

In der Tat entschlossen sich viele muslimische Wähler noch im Wahllokal, ihre Stimme doch dem Spitzenkandidaten der muslimischen Nationalpartei SDA, Alija Izetbegović, zu geben und nicht seinem populären Herausforderer, dem ehemaligenn Ministerpräsidenten Haris Silajdžić. In der Presse war ausdrücklich davor gewarnt worden, die muslimischen Stimmen zu splitten. Jeder wußte, bei einer stärkeren Repräsentanz von Silajdžić könnte der serbische Kandidat insgesamt mehr Stimmen als Izetbegović erhalten. Nach Auszählung von 25 der 89 Stimmbezirke im bosniakischen Gebiet votierten jedoch 81 Prozent der muslimischen Wähler für Izetbegović, für Silajdžić nur rund 15 Prozent. Bei einer Umfrage vor Wahllokalen in Sarajevo gaben 4 von 10 Wählern an, sie hätten sich erst in letzter Minute für Izetbegović entschieden.

In der Republika Srpska ist nach Auszählung von 17 der 61 Wahlbezirke der Spitzenkandidat der regierenden Karadžić-Partei SDS, Momcilo Krajisnik, bei rund 80 Prozent der Stimmen angelangt. Sein Gegenkandidat Mladen Ivanić vom Bündnis Demokratischer Patriotischer Block liegt bei 19 Prozent. Der Stimmenanteil könnte sich hier noch zugunsten der Opposition verschieben, denn aus der bevölkerungsreichen Region um Banja Luka liegen noch keine Ergebnisse vor. Dort hatte sich die Stimmung gegen die SDS gedreht. Auch in der Republika Srpska hatten die Machthaber, mit Blick auf das Rennen um die Präsidentschaft, noch kurz vor Ende des Wahlkampfs vor einer Stimmabgabe für die serbische Opposition gewarnt.

Die Oppositionsparteien könnten noch aufholen

Bei den Kroaten liegen die Dinge ebenfalls kompliziert. Denn in den von Kroaten kontrollierten Gebieten dürfen nicht nur die Kroaten aus Herceg-Bosna, sondern auch die in den muslimisch kontrollierten Gebieten verbliebenen Kroaten abstimmen. Dies gilt für die Muslime umgekehrt auch. In den muslimisch kontrollierten Gebieten gewann der oppositionelle bosnische Kroate und Führer der kroatischen Bauernpartei, Ivo Komsić, die Mehrheit der kroatischen Stimmen. In Herceg-Bosna jedoch siegte unangefochten Kresimir Žubak, der ehemalige Präsident von Herceg-Bosna und Spitzenkandidat der kroatischen Nationalpartei HDZ. Insgesamt liegt er mit über 85 Prozent der kroatischen Stimmen weit vor Komsić mit rund 10 Prozent.

Nach inoffiziellen Berichten fallen die Ergebnisse bei den Parlamentswahlen für die Oppositionsparteien günstiger aus als bei den Wahlen für die Präsidentschaft. Nach Schätzungen von Zeitungen in Sarajevo wird die oppositionelle Gemeinsame Liste im muslimischen Gebiet etwa 15 Prozent erhalten, die Partei von Silajdžić 10 Prozent. Im serbisch kontrollierten Banja Luka könnte die Opposition sogar die regierende SDS-Partei schlagen. Sie befürchtet jedoch Wahlfälschungen.

Immer schwerer fällt es den Repräsentanten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), den Wahlablauf als demokratisch und fair auszugeben. Eine OSZE-Sprecherin wollte gestern lediglich einräumen, daß es eine Reihe von Beschwerden über Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Immerhin drang durch – und OSZE-Beobachter von vor Ort bestätigten dies –, daß in einigen serbischen Wahlkreisen um die ostbosnische Stadt Zvornik rund 20 Prozent Stimmen mehr in der Urne waren, als Wähler in den Wählerlisten verzeichnet waren. Weiterhin schwiegen die OSZE- Vertreter zu dokumentierten Fällen, in denen Busse von muslimischen Wählern von serbischen Polizisten zurückgewiesen wurden.

Nicht kommentiert wurden auch Berichte, nach denen Muslime in dem nahe Zvornik gelegenen Dorf Žapade in einem Gebäude abstimmen mußten, das während des Krieges 1992 als Lager und Hinrichtungsstätte gedient hatte. Inzwischen sickerte auch durch, daß die OSZE der serbischen Polizei grünes Licht gab, Wahllokale für die Muslime außerhalb der alten Heimatdörfer bereitzustellen. Es sollten Konflikte vermieden werden. Offensichtlich halten sich die Repräsentanten der OSZE an die Vorgabe, die Wahlen in rosigem Licht erscheinen zu lassen. Noch gilt für sie offenbar die Vorgabe aus Washington, die Wahlen auf jeden Fall als Erfolg zu bewerten.