Korruptions-Unwetter wieder über Italien

■ Verhaftung des Bahn-Chefs Necci: Rechtslastige Politiker bangen

Rom (taz) – So schön hatten es sich Italiens Korruptlinge vorgestellt: Durch ständiges Bombardement mit Amnestieforderungen und dem berühmten „Macht doch endlich Schluß“ hatten sie einen ansehnlichen Teil der Staatsanwaltschaften und der Rechtspolitiker bereits weichgeschossen; wann der „Schlußstrich“ gezogen würde, schien nur noch eine Frage der Zeit, Schmiergeldgeber- und -empfänger witterten Frühlingsluft. Doch nun das: Der oberste Eisenbahner des Landes, Lorenzo Necci (58), ist verhaftet – zusammen mit einem schillernden Italoschweizer Bankier, der als Geldwäscher berühmt ist, und einem als Dunkelmann bekannten Ex- Christdemokraten, der in den 70er Jahren zur umstürzlerischen Geheimloge „Propaganda 2“ gehörte. Und das sei nicht alles, so versichert die federführende Staatsanwaltschaft von La Spezia. Bald würden gut zwei Dutzend weiterer Personen festgenommen. Anklage gegen Necci und seine Komplizen: Bildung einer kriminellem Bande zum Zwecke der Korruption.

Necci soll mit Hilfe seiner mittlerweile in eine AG umgewandelten Eisenbahngesellschaft Scheingeschäfte mit einer GmbH betrieben haben, die ihm selbst gehört, das Geld sei durch den Bankier Pacini Battaglia im Ausland in Sicherheit gebracht worden.

Mit Necci fällt einer der letzten Großen der „Ersten Republik“ Nachkriegs-Italiens. Unbeschadet hatte er, seit dreißig Jahren in allen möglichen Staatsbetrieben tätig, ganze Serien von Skandalen überstanden. Als Stehaufmännchen schien er noch besser zu sein als sein einstiger Mentor Giulio Andreotti, der bereits seit drei Jahren unter Mafia-Anklage steht.

Necci galt bis vorgestern vielen als jenes Urgestein, an dem Italiens (Eisenbahn-) Wesen nun doch endlich genesen und damit zum europäischen Standard aufschließen könne. Sein Sturz wird nicht nur als eine Art Nachwehe der bisherigen Enthüllungen gesehen, und auch nicht nur als Beleg, daß die Korruption trotz aller Säuberungen noch immer fröhliche Urständ feiert. Necci wird den gesamten „Palazzo“ zum Zittern bringen, zu eng ist der Mann längst schon wieder mit den Größen der „Zweiten Republik“ verwachsen. „Wir von der Allianza nazionale“, pflegte er den Chef der Ex-Neofaschisten Gianfranco Fini zu begrüßen, und von Silvio Berlusconi erzählt er, daß dieser ihn unbedingt als Minister gewollt hatte.

Aber auch moderate Politiker liefen ihm nach – etwa der derzeitige Außenminister Lamberto Dini und Postminister Antonio Maccanico, der Anfang des Jahres eine Regierungsbildung versuchte und Necci dabei als Kanzleramtsminister (und damit Aufseher über die Geheimdienste) haben wollte. Die nächsten Tage werden in Rom wohl für viele eher ungemütlich werden. Werner Raith