Hüls AG pumpte Chemie in den Rhein

■ Quecksilber, Hexachlorbenzol und konzentrierte Natronlauge: Eine billige Entsorgung sollte es sein, sagten führende Mitarbeiter zum Staatsanwalt. Er ermittelt seit zwei Jahren gegen neun Manager

Berlin (taz/dpa) – Die Hüls AG (Marl) soll aus ihrem Werk Rheinfelden in Baden-Württemberg verschiedene Giftmischungen in den Rhein geleitet haben. Seit 1990 soll das zum Veba-Konzern gehörende Chemie-Unternehmen unter anderem größere Mengen Hexachlorbenzol in den Fluß gepumpt haben. Die Staatsanwaltschaft Lörrach bestätigte gestern einen entsprechenden Bericht des Stern. Über die genauen Mengen wollte sich der zuständige Staatsanwalt nicht äußern.

Seit 1994 ermitteln seine Kollegen gegen Hüls. Neben dem Hexachlorbenzol leiteten die Chemieproduzenten außerdem hochkonzentrierte Natronlauge und Quecksilber aus dem Werk in den Rhein. Neun Personen in „verschiedenen Positionen“ bei Hüls in Rheinfelden sollen laut Staatsanwaltschaft für die Straftaten verantwortlich sein. Bereits 1994 durchsuchten Staatsanwälte Privatwohnungen, das Werk in Rheinfelden sowie das Stammhaus in Marl. Die Ermittlungsakten seien deshalb „sehr umfangreich“, so daß die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien. Zur Zeit lägen sie bei der Verteidigung. Wann und ob überhaupt ein Hauptverfahren eröffnet wird, sei unklar. Eine „Einstellung wegen Geringfügigkeit des Verfahrens sei durchaus im Raume“, sagte Staatsanwalt Bürgelin zur taz.

Bei der Hüls AG in Marl hingegen war man gestern recht nervös. „Wir wußten nicht, daß in diesem Umfang ermittelt wird“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens. Konkreter wollte sie nicht werden, da sie von den Veröffentlichungen „überrascht“ worden sei.

Seit Jahren pendelt der Umsatz der Hüls AG bei 10 Milliarden Mark. Gewinn hat das auch in den USA und Großbritannien produzierende Unternehmen schon lange keinen mehr eingefahren. Mutterkonzern Veba verordnete Hüls daher in den vergangenen drei Jahren eine Schrumpf- und Rationalisierungskur, so daß das Unternehmen 1994 immerhin mit Null statt mit Verlusten abschloß.

So wundert der Grund für die tonnenweise Einleitung der Chemieabfälle kaum: Um aufwendige Entsorgungskosten zu sparen, hätten sie wissentlich jahrelang die Chemikalien in den Rhein gepumpt, sagten Hüls-Mitarbeiter den Ermittlern laut Stern. In dem Bericht der Staatsanwaltschaft Lörrach heißt es außerdem, daß die Hüls-Gifte für den Niedergang der Rheinfischerei verantwortlich seien. Quecksilber und Hexachlorbenzol seien „nachweislich die Ursache dafür“, daß die Rheinfischer ihre Fänge wegen zu hoher Giftbelastung nicht mehr vermarkten dürfen. Sie verdienten dadurch jährlich rund eine Million Mark weniger. ufo