Geheimnis des Tons ToEinzeltones

■ Asiatische Kompositionen im KITO Vegesack

Wer vielleicht nicht unbedingt ein Fan von Neuer Musik ist, wird an diesem ausgefeilten Programm trotzdem Freude haben: Bettina Wild, Flöte, Rodrigo Blumenstock, Oboe, Stefan Latzko, Violine, Manuel von der Nahmer, Cello, und Frank Gutschmidt, Klavier spielen Kammermusik von asiatischen Komponisten. Japan, Korea, China...allen diesen uralten (Musik) Kulturen ist eines gleich: die Bedeutung des Einzeltones. Gewinnt in der europäischen Musik ein Ton erst an Bedeutung, wenn er in eine Melodie eingebunden, so lebt in der einzelne Ton in sämtlicher asiatischer Musik für sich. Dafür wird er ausgestattet mit unendlichen vielen Blas, Strich und Atemtechniken, dazu Artikulationen: ein Triller beispielsweise markiert den Ton so unterschiedlich, wie dessen Tempo vom Spieler angesetzt wird. Zogen diese sehr alten Techniken in die avantgardistische europäische Musik ein, so haben die asiatischen Komponisten auf der anderen Seite Konstruktionsprinzipien unserer Musik genutzt, die Reihentechnik zu Beispiel.

Der berühmteste Komponist für diesen Vorgang ist der 1969 aus der lebenslänglichen Haft in Nordkorea abgeschobene Komponist Isang Yun, der vor einem Jahr in Berlin 79jährig starb. Seine „Images“ für Flöte, Oboe, Violine und Cello, geschrieben 1968 unmittelbar nach der Erlaubnis, im Gefängnis zu komponieren, sind inspiriert von einem berühmten Fresco eines nordkoreanischen Grabes.

Hans Zender ist der deutsche Komponist, der sich wohl am ausführlichsten mit dem Werk Yuns und dem Buddhismus beschäftigt hat und aus dieser Anregung ein Stück schrieb: „Angezogen vom Ton der Flöte“ heißt das nach japanischen Zen-Sprüchen ausgedachte Werk. Außerdem wird es eine Uraufführung geben, ein Auftragswerk der Deutschen Kammerphilharmonie. Der junge Chinese Xiaoyong Chen konzipierte den letzten Satz seines Quintettes „Evapora“ – was so viel heißt wie „Verdunstung“ (lat.) – nach dem Muster: „Jeder einzelne Ton ist für sich ein Ganzes“, sagt er zu seinem Stück.

Am Sonntag, 22.9. um 18 Uhr im KITO Vegesack.

Ute Schalz-Laurenze