Nachgefragt
: Schwarze Peter

■ Hausärzte: Schlachtfeld Gesundheitswesen

Vier Tage lang treffen sich rund 400 Ärzte zum 19. Deutschen Hausärztetag im Bremer Congress Centrum – veranstaltet vom Berufsverband der Allgemeinärzte Deutschlands (BDA). Wir sprachen mit Ulrich Weigeldt, dem Bremer BDA-Landesvorsitzenden, über die Fachtagung zu „35 Jahren Allgemeinmedizin“

taz: Das Gesundheitswesen sei zu einem Schlachtfeld geworden, klagt der BDA-Bundesvorsitzende Klaus-Dieter Kossow. Womit haben denn die Hausärzte zu kämpfen?

Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des BDA Bremen:Wir müssen unseren Honoraranteil sichern, denn es ist immer mehr in die anderen Gebiete abgeflossen. Inzwischen müssen sich 30 Prozent der Hausärzte – und soviel sind wir in Bremen von den niedergelassenen Ärzten – 20 Prozent des Honorars teilen.

Andere Gebiete – heißt das auch High-Tech-Medizin?

Wir können uns mit einem festgelegten Honorartopf von 41 Milliarden für die vertragsärztliche Versorgung bundesweit nicht alles leisten: Doktorshopping, Chipkarten-Tourismus, jeder bekommt alles und zwar sofort. Das geht nicht. Insofern haben wir Hausärzte ein Schwarzes-Peter-Spiel. Denn wir müssen dem Patienten sagen: Das geht nicht, das ist zu teuer. Ich kann meinen Patienten fast kein Gespräch mehr anbieten. Wir können die technische Medizin nicht mehr länger subventionieren durch die Abgabe von Gesprächsleistungen oder Hausbesuchen zum Nulltarif.

Fachärzte verdrängen Hausärzte, kritisiert der BDA. Dabei könnten sie vieles genauso gut machen.

Die Hausärzte müssen etwas tun, was mit der fortschreitenden Spezialisierung der Medizin immer wichtiger wird: Sie müssen koordinieren. Der Patient bekommt von irgendjemandem einen Tip, zu irgendeinem Spezialisten zu gehen. Das ist erstens nicht optimal für den Patienten und zweitens ist es zu teuer. Wenn Sie z.B. von verschiedenen Spezialisten ein Medikament bekommen: Wer weiß denn schon, ob Sie das überhaupt vertragen?

Ist das nicht eine doppelte Leistung, die ja im Zuge der Gesundheitsreform ausgemerzt werden soll?

Im Gegenteil. Der Hausarzt kann mit seiner Kenntnis der Patientengeschichte, der Familien-, Arbeits- und Lebenssituation schon steuernd eingreifen, indem er zeigt, was möglich ist. Wenn der Patient z.B. ins Krankenhaus muß, kann der Hausarzt ihm sämtliche Facharztbefunde mitgeben. So können wir die Doppeluntersuchung zum Teil gerade vermeiden.

Vor allem die Chipkarte wird vom BDA scharf kritisiert. Denn jeder Patient kann jederzeit zu verschiedenen Ärzten gehen. Sie fordern, daß Patienten zunächst per Chip ihren Hausarzt aufsuchen und von dort per Überweisungsschein zu einem Spezialisten gehen.

Zwingen können wir die Patienten natürlich nicht. Aber die Chipkarte ist in der Tat ein großes Problem. Sie haben im Grunde genommen ein Selbstbedienungssystem, das aber niemand bezahlen kann.

Zweiter großer Tagungspunkt ist die Weiterbildung der Hausärzte. Akupunktur und Allergie-Workshops stehen auf dem Programm. Ist das nicht schon sehr fachspezifisch?

Akupunktur ist in der hausärztlichen Praxis überhaupt nicht fehl am Platze – Allergiebehandlungen übrigens auch nicht. Wenn jeder Patient einen Allergologen aufsuchen würde, dann hätten sie einen nächsten Termin vielleicht in vier Jahren.

Sie sind selber praktizierender Hausarzt in Bremen. Ist der Arzt mit Köfferchen beim Hausbesuch schon ein verstaubtes Klischee?

Ich praktiziere seit 15 Jahren. Das Verhältnis zwischen Hausarzt und Patient ist nach wie vor eine Vertrauenssituation. Der Hausarzt begleitet einen Menschen ein Leben lang.

Fragen: Katja Ubben