Schuldspruch für Unternehmen ohne Lehrlinge

■ Bündnisgrüner „Richter“ Hans-Christian Ströbele spricht am Tag der Ausbildung zehn Unternehmen schuldig, „die Perspektive anderer zerstört zu haben“

Mit einem „öffentlichen Gerichtsprozeß“ haben gestern Vertreter der DBG-Jugend, Bündnisgrünen, Jusos, PDS, LandesschülerInnenvertretung und der AG Junge GenossInnen vor dem Gebäude der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Charlottenburg auf die große Zahl fehlender Ausbildungsplätze hingewiesen. Mit dem Bündnisgrünen und Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele hatten die Organisatoren einen Prominenten gewonnen, der am gestrigen „Tag der Ausbildung“ als symbolischer Richter über zehn öffentlich angeklagte Unternehmen „richtete“, die nach Meinung der Veranstalter „nicht oder unzureichend“ ausbilden.

Angeprangert wurde das Fehlen von etwa 4.000 Ausbildungsplätzen allein in diesem Jahr. Sybille Volkholz, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, rechnet damit, daß sich die Situation aufgrund der Sparmaßnahmen „noch weiter verschärfen“ wird. Daher habe sich ein breites Bündnis verschiedener Organisationen zusammengefunden, um auf die gesetzlich vorgeschriebene „gesellschaftliche Verpflichtung der Arbeitgeber“ aufmerksam zu machen, Ausbildungsplätze in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen.

Bei der symbolischen Gerichtsverhandlung in der Hardenbergstraße ging es zu wie im richtigen Gerichtsleben. In einer „Anklageschrift“ an das „Ausbildungs- Tribunal“ wurden zehn Betriebe angeklagt, „in der Absicht, [sich] einen Vermögensvorteil zu verschaffen, die Perspektive anderer dadurch zerstört zu haben, daß sie Ausbildungsplätze vernichtet oder aber nicht angeboten haben“. Angeprangert waren beispielsweise der SFB, die Deutsche Staatsoper, das Land Berlin und die IHK, die bei Beschäftigtenzahlen um die tausend keinen oder nur einzelne Lehrling ausbilden. „Richter“ Ströbele hörte sich aufmerksam die Positionen der Unternehmen an, die von den „Anklägern“, Vertretern verschiedener Organisationen, als „Anschuldigungen“ vorgetragen wurden. Dann zog er sich „zur Urteilsfindung“ zurück und sprach die angeklagten Unternehmen schuldig.

Für die Organisatoren war gestern klar: „Wer nicht ausbildet, muß zahlen.“ Damit schließen sie sich mehr oder weniger einem Papier des DGB an, daß eine „Umlagefinanzierung zur Schaffung von Ausbildungsplätzen“ vorsieht. Die Demonstration endete mit einem Aufruf an den Senat, ein Gesetz zu verabschieden, das Betriebe, die nicht genügend ausbilden, zur Zahlung einer jährlichen Umlage verpflichtet. Frank Fölsch