Die Sache mit den Hackfleischbällchen Von Karl Wegmann

Es war eine Wette. Konscho hatte mal wieder mit einer seiner Charlie-Geschichten genervt, Hermann hatte ihn barsch gestoppt: „Charlie ist doch eine total bescheuerte Töle!“ Worauf Bernhard und ich gemeinerweise zustimmend nickten. Bevor Konscho völlig ausrasten konnte, meldete Willy sich: „Ob ein Hund intelligent ist oder nicht, kann man testen.“ „Wie denn!“ rief ich. „IQ-Test für Köter, oder was?“ „Du wirst lachen“, erwiderte er, „so etwas gibt's wirklich.“ So entstand die Wette. Hermann, Bernhard und ich stimmten für „blöder Hund“, Konscho natürlich für „superklug“. Willy blieb neutral und erklärte sich bereit, Charlie zu testen. Es ging um ein opulentes Abendessen.

Am folgenden Samstag nachmittag trafen wir uns alle in Willys Garten. Er hatte einen Zaun quer über den Rasen gezogen, auf dem drei Plastikschüsseln und ein dickes Brett herumlagen. „Der Zaun ist viel zu hoch“, spottete Hermann, „da kommt der kleine, fette Charlie nie rüber!“ „Soll er auch gar nicht“, erwiderte Willy. „Dies ist ein Intelligenztest für Hunde, den der berühmte Verhaltensforscher Immanuel Birmelin entwickelt hat, das hat nichts mit Sport zu tun.“ Charlie war zu diesem Zeitpunkt schon hypernervös. Er hatte natürlich gemerkt, daß sich hier alles um ihn drehte. Konschos Kinder schlossen unterdessen eifrig eigene Wetten ab („Zwei Duplo, daß Charlie gewinnt“).

Dann ging's los. Willy baute die erste Prüfung auf: „Ich habe hier drei Näpfe, in jeden lege ich ein Hackfleischbällchen. Dann stelle ich sie nebeneinander und lege dieses schwere Brett darüber. Die meisten Hunde kratzen mit der Pfote an dem Brett oder versuchen, es zur Seite zu schieben. Der intelligente Hund aber steckt seine Schnauze darunter und hebt es einfach hoch. Alles klar? Konscho, laß' Charlie von der Leine.“ Der kleine Kerl stürmte wie ein Wahnsinniger los, knallte brutal gegen Brett und Schüsseln, warf damit alles um und hatte in Null Komma nix die Hackfleischbällchen verputzt. Alle starrten Willy an. Der war verwirrt. „Nun, äh, dieses Ergebnis war nicht vorgesehen...“ „Aber er hat's doch geschafft!“ protestierte Konschos Sohn Philipp. „So schnell wie Charlie ist keiner, eins zu null für Charlie.“ Jubel brach los. Aber es gab ja noch eine Prüfung. „Dieser zehn Meter lange Drahtzaun hat an jeder Seite eine Öffnung“, dozierte Willy. „Ich werfe jetzt ein Hackfleischbällchen rüber. Normalerweise laufen Hunde an den Zaun, beginnen zu bellen und zu graben. Sie erkennen nicht, daß sie um den Zaun herum...“ Weiter kam er nicht. Denn in diesem Augenblick tauchte Willys Kater James auf. Charlie ist schon ein paarmal von James vermöbelt worden und hat eine Heidenangst vor ihm. Kaum hatte er den Kater entdeckt, sauste er laut jaulend davon und ward den ganzen Nachmittag nicht mehr gesehen.

Das war's dann. Später wurde Willy von Philipp gefragt, ob man mit allen Haustieren Intelligenztests machen könne. „Klar“, meinte Willy, „es gibt Test für Katzen, Papageien, Meerschweinchen. Ich kenne sie alle.“ Philipp war beeindruckt. Und so kam es, das in den nächsten Wochen immer wieder Leute bei Willy anfragten, ob er sich nicht mal ihren Wellensittich ansehen könnte, oder Kinder ihre Springmäuse und Schildkröten vorbeibrachten und IQ-Tests verlangten.