Das Knochensägenmassaker

■ Bluten für die Quote: Für "OP ruft Dr. Bruckner" kramt RTL bizarrste Fälle aus der Patientenkartei

Eben noch pflanzte er dem Fotomodel eine Knabenvorhaut ins Gesicht und rettet das behaarte Wolfskind mit einer Schweineherzklappe – nun sitzt Dr. Bruckner alias Bernhard Schir in den Babelsberger Filmstudios und betrachtet sich selbst fasziniert im Pilotfilm der im November startenden RTL-Serie „OP ruft Dr. Bruckner“. Schon klasse, wie er da im Flugzeug einer Frau die Lunge repariert, ihr mit Hilfe einer russischen Ärztin einen Kleiderbügel in den Brustkorb rammt und anschließend mit wehendem, blutbespritztem Kittel ins Medical Center Berlin rauscht.

Arztserie goes Splatter: Für „OP ruft Dr. Brucker“ (neben „Dr. Stefan Frank – der Arzt, dem die Frauen vertrauen“ die zweite RTL-Arztserie, die den Titel eines Groschenromans trägt) hat RTL den Venenkanal ganz weit geöffnet und reichlich Bizarrerien aus der Patientenkartei gekramt. Während die „besten Ärzte Deutschlands“ beständig an ihre Leistungsgrenzen gehen, läßt RTL die des guten Geschmacks weit hinter sich und serviert eine ganze Reihe von „authentischen, medizinischen“ Gruselgeschichten: darunter eine Frau, die im Koma vergewaltigt und geschwängert wurde; eine Patientin, die sich zur Krebsprophylaxe beide Brüste amputieren lassen möchte und eine Hockeymannschaft mit Dauererektion. Kurz: „Krankheiten, von denen die wenigsten Menschen wissen, daß sie überhaupt möglich sind“, wie es die für Arztserien zuständige Redakteurin ausdrückt.

Dank RTL wissen nun alle Bescheid: Zur Präsentation der Knochensägerorgie lud Thomas' OP- Riege in die glanzvolle Klinikwelt auf dem Babelsberger Filmgelände. Nach einem kurzem Warming-up im Eingangsfoyer des Medical Centers hielten zehn TV- Ärzte Einzug, nahmen Platz und wurden der Reihe nach vorgestellt: Dr. Beroz, Neurochirurg, zu seiner Linken Prof. Bergmann, Chefarzt, ein schwuler Schönheitschirurg und eine attraktive Gynäkologin. Sogar ein paar bekannte Gesichter sind dabei: so Michael Degen als Chefarzt und „Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten“-Jan Sosniak als ein gewisser Dr. Nölling.

Bei soviel geballter Ärzteherrlichkeit und sich steigernder Benommenheit angesichts der gezeigten Fälle, kam ein Fachgespräch natürlich nicht zustande. Statt dessen lobte Bernhard Schir die noble Ausstattung der Serie und das Arbeiten unter Kinobedingungen. Nur der Titel „OP ruft Dr. Bruckner“ gefalle ihm nicht: „,Medical Center Berlin‘ wäre mir lieber gewesen“.

Eigentlich hätte man die Serie auch gleich „Notaufnahme“ nennen können, schließlich ist sie unverkennbar eine Kopie des amerikanischen Vorbilds „Emergency Room“. Aber Dr. Bruckner findet den Ideenklau im „Emergency Room“ durchaus okay, schließlich sei dies eine gelungene Mischung aus Splatter und Arztroman: „Bei einer biederen Serie hätte ich nie mitgespielt!“ Eine weise Entscheidung, denn als OP-Arzt Dr. Bruckner wird er gleichzeitig Schweineherzklappen verpflanzen und die Herzen diverser Frauen brechen. Inken Schröder

Pilotfilm, 90 min., 14. November, 20.15 Uhr; danach jeden Donnerstag 20.15 Uhr