Südafrikas Terroroberst packt freimütig aus

■ Eugene de Kock, ehemaliger Kommandeur einer Apartheid-Todesschwadron, belastet vor Gericht ehemalige Mitglieder der Regierung und Polizei schwer

Johannesburg (taz) – Was der ehemalige Kommandeur der berüchtigten Vlakplaas-Einheit der südafrikanischen Geheimpolizei seit Montag vor Gericht aussagt, liest sich wie ein Who's who? des Apartheid-Staates. Eugene de Kock, bereits Ende August vom Obersten Gerichtshof in Pretoria des sechsfachen Mordes und weiterer 83 Verbrechen für schuldig befunden, breitet in seiner Zeugenaussage so viele Details und Namen aus, daß das Gericht wie die Presse ihm nur mühsam folgen können.

Genannt wurden bislang neben vielen anderen der frühere Präsident Pieter Willem Botha, sein Außenminister Pik Botha, Verteidigungsminister Magnus Malan, die Polizeiminister Louis le Grange und Adriaan Vlok, die einstigen Polizeigeneräle Jack Buchner, Gerrit Erasmus, Basie Smit, die ehemaligen Polizeichefs Johan Coetzee und Johan van der Merwe. P. W. Botha war Mitte der 80er Jahre Staatspräsident und gleichzeitig Vorsitzender des sogenannten Staatssicherheitsrates (SSC), einer Art inoffiziellen Nebenregierung. Mit seinem Wissen und seiner ausdrücklichen Genehmigung wurden nach Aussage de Kocks von der Farm Vlakplaas aus Jahre Todesschwadronen losgeschickt, um politische Gegner umzubringen – auch in Nachbarländern Südafrikas.

Die Vorwürfe, die der 48jährige gegen ehemalige Regierungs- und Polizeimitglieder erhebt, wiegen schwer. Die meisten allerdings haben mit den Verbrechen, derer er tatsächlich vor 18 Monaten angeklagt worden ist, nur indirekt zu tun. Wegen mangelnder Beweislast konnte dem Apartheid-Killer nur wegen 121 rein krimineller Fälle der Prozeß gemacht werden. Nach südafrikanischem Strafrecht hat er trotz des Schuldspruchs jetzt noch einmal Gelegenheit, in den Zeugenstand zu treten und möglicherweise das Gericht dazu zu bewegen, das Straßmaß abzumildern. Das wird anders als im deutschen Strafrecht getrennt vom Urteil ausgesprochen. Dazwischen können Angeklagte wie Verteidigung auf mildernde Umstände plädieren und neue Zeugen oder psychologische Gutachter bestellen.

Die plötzlichen gnadenlosen Enthüllungen des 1993 aus dem Dienst geschiedenen Oberst sind politisch hochbrisant. Um seine eigene Haut zu retten und mildernde Umstände zu bekommen, benennt de Kock, der bisher in dem ganzen Verfahren eisern geschwiegen hat, die politisch und militärisch Verantwortlichen für die Mordaktionen der Killereinheit. Außerdem belegen seine Aussagen, daß bis weit in die 90er Jahre hinein eine sogenannte „Dritte Kraft“ innerhalb der Sicherheitskräfte bestand.

De Kock selbst hat sich jetzt auch zu einer ganzen Reihe von politischen Morden bekannt. Der erste war der an dem hohen ANC- Mann Zwelimanzi Nyanda im benachbarten Swaziland im Jahr 1983; hinterher wurde er von Polizeiminister le Grange mit einer Medaille belohnt. Es war seine zweite. Die erste erhielt er für einen Bombenangriff auf das ANC- Büro in London. 1985 übernahm de Kock das Kommando über die Vlakplaas-Einheit. Ende des gleichen Jahres beging diese einen Überfall auf angebliche ANC-Terroristen in Lesotho, bei dem zwei Menschen ermordet worden. Die Aktion sei vom SSC unter P. W. Botha aus geplant und koordiniert worden, so de Kock. Weitere „grenzüberschreitende Aktionen“ dieser Art folgten, in Swaziland, in Botswana sowie zahllose Überfälle innerhalb Südafrikas. De Kock gab zu, daß er und seine Einheit die Bombenanschläge auf das Hauptquartier des südafrikanischen Gewerkschaftsbundes Cosatu im Jahr 1987 und auf das Khotso-Haus, den damaligen Sitz des Südafrikanischen Kirchenrats, beide in Johannesburg, verübt hatten – mit dem Segen Bothas. Außerdem bestätigte er, bis in die 90er Jahre hinein die Inkatha-Freiheitspartei unter dem heutigen Innenminister Mangosuthu Buthelezi mit Waffen versorgt zu haben. Kordula Doerfler