Löchriger Schirm für den Regenwald

■ Deutsches Geld für Brasiliens Urwälder hat Rodungen nicht stoppen können. Kanzler Kohl macht Druck vor Ort

Berlin (taz) – Gut vier Jahre nach dem Umweltgipfel in Rio machte Kanzler Helmut Kohl gestern erneut Station in Brasilien. Bei seinen Gesprächen mit der brasilianischen Regierung soll es nicht nur um wirtschaftliche Fragen, sondern auch um den Schutz der brasilianischen Regenwälder gehen. Dabei will der Kanzler dem „Pilotprojekt zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Regenwälder“ zum Durchbruch verhelfen, das er 1990 auf dem G-7-Gipfel in Houston angeregt hatte. 60 Prozent der Kosten in Höhe von mehr als 450 Millionen Mark wird die Bundesregierung tragen, der Rest kommt von den übrigen G-7-Ländern und der Weltbank.

Ziel des Projekts ist die Verhinderung weiterer Waldabholzungen und der Schutz der indigenen Bevölkerung im Amazonasgebiet. Dafür will die Bundesregierung Brasilien durch den Export von moderner Umwelttechnik unterstützen. Laut Kanzleramt wird Kohl aber auch Druck auf die brasilianische Regierung ausüben, damit sie den Widerstand gegen die internationale Tropenholzorganisation ITTO aufgibt, in der fast alle Tropenholzexportländer zusammengeschlossen sind. Brasilien weigert sich bislang, der Organisation beizutreten, weil es sich nicht verpflichten will, bis zum Jahr 2000 nur noch Holz aus nachhaltiger Produktion zu exportieren.

Wie verheerend die Situation in Brasilien ist, wurde letzte Woche in Bonn auf der dritten UN-Konferenz zum Schutz der Regenwälder Brasiliens deutlich. So ist allein seit 1990 die Waldvernichtung im Amazonasgebiet um 40 Prozent gestiegen, wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und pro Regenwald kritisieren. Das Programm der Bundesregierung schütze nicht vor der weiteren Vernichtung des Tropenwaldes, bemängelt BUND-Waldexperte Andreas Krug. Es sei zu wenig umfangreich und übe nicht den nötigen Druck auf die brasilianische Regierung aus, die vor allem die Interessen der heimischen Wirtschaft protegiere. So sei das Dekret des brasilianischen Justizministers zur Demarkierung der Indianerschutzgebiete noch nicht vom Tisch. Es soll Siedlern formell Ansprüche auf Indianergebiet gewähren, auf dem sie bereits gewirtschaftet haben. Durch ihre Aktivitäten aber ist in der Vergangenheit der Regenwald Stück für Stück gerodet worden. Ein Schutz der Indianergebiete würde dagegen diese Gebiete vor weiteren Einschlägen bewahren, argumentiert pro Regenwald.

Die Gefährdung der Indianer im Amazonasgebiet ist nach Angaben der brasilianischen Indianerschutzorganisation Funai dabei von Bundesstaat zu Bundesstaat sehr unterschiedlich. Das von der Holz-und Viehwirtschaft und von Hunderttausenden von Goldwäschern bedrohte Amazonasgebiet wird von neun verschiedenen Gouverneursregierungen verwaltet.

Brasilienexperten wie der Berliner Ethnologe Pinto de Oliveira gehen davon aus, das hinter dem Programm der Bundesregierung auch Interessen der deutschen Wirtschaft stehen. So forsche Mercedes in Brasilien an der Entwicklung nachwachsender Rohstoffe für die Automobilindustrie. Und die Pharma- und Chemieindustrie interessiere sich für die genetische Vielfalt des Regenwaldes. Achim Rust