Erste Aussage von Safwan Eid

Am zweiten Tag des Prozesses um den Mordbrand sagte der Angeklagte aus. Eid schilderte, wie er und seine Brüder den Brand erlebten. Der Richter tadelte die Staatsanwaltschaft  ■ Aus Lübeck Jan Feddersen

Der Angeklagte wollte sprechen. Am ersten Verhandlungstag vor der Großen Strafkammer des Lübecker Landgerichts hatte Safwan Eid noch geschwiegen. Seine Anwältin, Gabriele Heinecke, sagte, daß ihr Mandant noch zu aufgeregt sei. Richter Wilcken war souverän genug, dies wohlwollend zu respektieren. Doch bevor der Vorsitzende des Prozesses den Angeklagten zu Wort kommen lassen wollte, nutzte er selbst die ersten Minunten des zweiten Verfahrenstags, die Staatsanwaltschaft mit grummeliger, doch keineswegs aufgeregter Stimme scharf zu tadeln.

Er bitte doch künftig alle Prozeßbeteiligten, um „der Wahrheit vielleicht ein Stückcken näher zu kommen“, nach dem „bekannten und bewährten Grundsatz“ vorzugehen, verständliches Hochdeutsch zu sprechen. Verschrobene Fragen, die er gar nicht erst als hinterlistig erkennen möchte, vor allem aber solche, die sich, so mußte man Wilcken verstehen, keinen Deut um die Sprachschwierigkeiten der Zeugen und des Angeklagten kümmern, wolle er nicht mehr hören. Geplänkel also mögen Staatssanwaltschaft und die beiden Anwältinnen unterlassen. Und zum Dolmetscher gerichtet, sagte er, daß er fürderhin nur übersetzt haben möchte, was er fragt – Interpretationen also nicht nötig wären: „Geben Sie uns nur den Blumenstrauß. Wir pflücken dann selbst die einzelnen Blumen heraus.“

Dann kam Safwan Eid zu Wort. Wie am ersten Tag wirkte er allerdings nicht aufgeregt. Ruhig sprach er – meist ohne Hilfe des Sprachmittlers in Deutsch – zur eigenen Person. Aufgewachsen im Libanon, danach vier bis sechs Jahre in Saudi-Arabien, schließlich seit Anfang der achtziger Jahre in der Bundesrepublik. Wilcken ließ ihn sprechen, schaffte gelegentlich sogar, ihn für einen Moment vergessen zu lassen, daß er einer schweren Straftat beschuldigt wird: ein seltener Fall von Faktenermittlung im Gerichtssaal, ohne sich vorurteilig auf die Akten zu stützen.

Vor allem schilderte Safwan Eid seine Erlebnisse aus der Brandnacht, erzählte, wie er schlief, ehe er durch ein Alarmzeichen geweckt wurde, doch seinen beiden im gleichen Zimmer schlafenden Brüdern sagte, dies nicht ernst zunehmen, weil es wohl wieder Fehlalarm sei. Tatsächlich sollte sich dies als schrecklicher Irrtum herausstellen. Eid half daraufhin, seine Geschwister und sich selbst zu retten. Und, entscheidend, im Rettungsomnibus will er keineswegs zum Sanitäter gesagt haben, daß „wir“ es waren. Im Gegenteil sprach Eid immer davon, so habe er es von seinem Vater gehört, daß „die“ es waren.

Auf Nachfrage der verunsicherten Staatsanwaltschaft, wer mit „die“ gemeint sei, zuckte Eid mit den Schultern, antwortete aber schließlich: „Na, die Neonazis und so.“ Montag ist als Zeuge jenes Mitglied der Feuerwehr geladen, auf dessen Aussage die Staatsanwaltschaft ihre Anklage stützt, nach der Safwan Eid das Feuer im Haus selbst gelegt haben soll.