Die Rahmenprogramme bei Fußball-Spielen werden immer schlimmer: Bloß weg damit!

Daß der Fußball durch den Berichterstattungs-Overkill im Fernsehen entwertet wird, ist schon oft kritisiert worden. Dabei gerät aber leider aus dem Blickfeld, daß das Spiel derzeit nicht nur medial entwertet wird, sondern auch in den Stadien – durch die sogenannten Rahmenprogramme, in die die Profi-Clubs immer mehr Aufwand investieren.

Das Ziel dieser Maßnahmen ist die Umrüstung eines Fußball-Spieltags, in dem Fußball nur noch eine Rolle unter vielen spielt. Wer glaubt, dem Show-Spektakel Fußball entkommen zu können, indem er sich Spiele grundsätzlich nur noch im Stadion anschaut, ist schief gewickelt, denn die Strategen der Vereine haben ihre Inszenierungen im wesentlichen bei SAT 1 und RTL abgekupfert.

Das ist auch beim FC St. Pauli nicht anders, obwohl man diesem Club bisher nicht nachsagen konnte, im Kampf um die Umstrukturierung des Entertainment-Industriezweigs Fußball an vorderster Front mitzuschießen.

Für das Vorprogramm zum Auftaktspiel gegen Bayern München im Volksparkstadion hatte man die Band Torfrock verpflichtet, die bekanntlich für Menschen Musik macht, die sich von „Werner“-Comics intellektuell überfordert fühlen.

Eine Woche später gab es auf dem Stadionvorplatz am Millerntor kein Entkommen vor einer Gruppe drittklassiger Status Quo-Imitatoren, denen man dort Zutritt zu einer Bühne gewährt hatte, wo sie unter anderem einen Song von Led Zeppelin hinrichteten.

Im Rahmen des Werder-Spiels gurkte eine andere ewige Schülerband nicht nur vor und nach dem Spiel herum, sondern sogar schon während der zweiten Halbzeit. Das ist ungefähr so, als ob man Theaterbesuchern anböte, daß sie, falls sie sich langweilen sollten, auch gerne den Saal verlassen und ins Foyer gehen könnten, um sich dort einen Film anzuschauen.

Dabei ist die unterirdische Qualität der Gruppen gar nicht einmal so gravierend. Das Problem ist, daß überhaupt welche auftreten. Die Verantwortlichen stören so die mentale und emotionale Vorbereitung auf ein Spiel, und sie verhindern, daß man die Freude über einen Sieg auskostet oder gebührend an einer Niederlage leidet – und das gehörte zum Fußball, wie wir ihn zu kennen glaubten, bisher dazu.

Diese Entwicklung entspricht einem allgemeinen gesellschaftlichen Trend: Spätestens seit der offensichtlich bahnbrechenden Einführung der sogenannten „Erlebnis-Gastronomie“ bestehen Unterhaltungs-Veranstaltungen immer öfter aus verschiedenen kulturellen Elementen und Service-Angeboten.

In der englischen „Premier League“ muß das sogenannte „Pre-Match-Entertainment“ schon apokalyptische Ausmaße angenommen haben. Die Zeitschrift 90 Minutes konnte sich kürzlich jedenfalls nur noch in Galgenhumor flüchten: Unter der wortspielerisch versierten Headline „Atmosphere we go“ regte das Magazin an, in Zukunft vor den Spielen die Haustiere der Kicker hinzurichten, um das Publikum in Wallung zu bringen.

Angesichts der Verhältnisse in England kann man sich fast noch darüber freuen, daß die außerfußballerische Entertainment-Dosis am Millerntor nur langsam gesteigert wird. Morgen, nach dem Spiel gegen Köln, schließen im Rahmen einer „Fan-Party“ gleich drei Bands ihre Instrumente an. Tröstlich auch: Die Sause findet in einem Zelt statt. René Martens