RTL räumt Containerdorf

■ Bertelsmann begräbt seine Pläne für das Digital-TV und setzt die Redaktion vor die Tür. Grund: Mit Club RTL lasse sich erst in 10 bis 15 Jahren Geld verdienen

Heute schon werden die meisten ihr Büro verlassen haben, denn das digitale Fernsehen von Bertelsmann und der CLT – der Club RTL – ist tot, noch bevor es so richtig begann. Von den etwa 80 MitarbeiterInnen der geplanten Konkurrenz zu Kirchs digitalem Programm DF 1 fiel am Mittwoch abend die Kinnlade runter, als auf einer eiligst einberufenen Versammlung die sofortige Kündigung präsentiert wurde.

Abgezeichnet hatte sich das bereits am Mittag auf einer Pressekonferenz der Bertelsmann AG und der Daimler-Tochter debis. Eigentlich sollte es dort nur um ein Joint-venture auf dem Internet- Markt gehen, aber die Bombe vom totalen Rückzug aus dem digitalen Fernsehgeschäft tickte immer deutlicher. Bertelsmann-Vorstand Thomas Middelhoff plauderte gutgelaunt von den enormen Wachstumschancen des Computernetzes MediaWays aus seinem Hause und pries ein geplantes Endgerät, das demnächst für nur 200 Mark zu haben sei. Ähnlich euphorische Töne hatte er auch über den Bertelsmann-Decoder „mediabox“ für das Pay-TV von sich gegeben, der billiger als Leo Kirchs d-box sein sollte.

Noch auf der Cebit-Home hatte man für die Box und das digitale Fernsehen Club RTL aus Luxemburg, dem Sitz des Bertelsmann- Partners CLT, geworben. Doch nun, so Middelhoff, sei klar, daß die Pläne gescheitert seien, und kündigte für gestern den Austritt aus der Betreibergesellschaft MMBG an. Nun, da auch der französische Expartner Canal + sich aus der MMBG verabschiedet hatte und mit Kirch Gespräche aufnimmt. Die Zeit sei noch nicht reif für den digitalen Fernsehmarkt, so Middelhoff weiter, Geld ließe sich damit erst in 10 bis 15 Jahren verdienen.

Diese klaren Worte hatte es im monatelangen Hin und Her noch nicht gegeben. Immer wieder hieß es, Bertelsmann und Kirch seien in Verhandlungen, Kooperationen wurden angedeutet. Aber an einem sollte sich nichts ändern: dem Start von Club RTL, wenn auch nicht in Gänze im Herbst, so doch im Frühjahr 1997. Kanäle wie etwa Dokumentationen waren schon fertig, weitere kurz davor. Für den 15. Oktober war ein kleines Programm auf der DF 1-Plattform geplant – alles sah nach friedlicher Koexistenz mit Kirch aus, wenn auch mit kleinen Blessuren für Bertelsmann. Immerhin klang es auch irgendwie weise, nicht alle Hoffnungen auf den digitalen Fernsehmarkt zu setzen.

Vorstand Middelhoff sprach auf der Pressekonferenz also aus, worauf viele schon warteten. Ein Fax wurde ob der dennoch überraschend deutlichen Worte in die provisorischen Bürocontainer des Club RTL nach Luxemburg geschickt. Vier Stunden später versammelte Vorstandsmitglied Rolf Schmidt-Holtz die MitarbeiterInnen um sich: Club RTL werde es nicht geben, Sozialpläne für die Techniker, Cutter, Redakteure und Sekretärinnen seien auch noch nicht fertig. Die Büros dürften aber alle noch räumen, das war's – und tschüß.

Arbeitsplatz privates Fernsehen in Reinkultur: Noch vor vier Wochen erging die Order, sich Wohnungen zu suchen – es gehe weiter. Das Provisorium Hotel solle ein Ende haben – wie auch das Provisorium Containerbüro. Denn das neue, glänzende Bürohaus gleich nebenan sei bezugsfertig. Ein finanzielles und berufliches Desaster für die, die noch am Mittwoch einen Mietvertrag im teuren Luxemburg unterschrieben, und für die, die in der Probezeit keine Rechte geltend machen können, und die sich noch Stunden nach der Endzeitsitzung die fertig geschnittenen Trailer des Programms anschauen konnten: „Es lebe Club RTL.“ Charlotte Probst