Neue "Grüne Hilfe"

■ Dachverband der Organisation für Leute, denen Justitia wegen Drogen Ärger macht, beantragt die Gemeinnützigkeit

So verschieden wie die klimatischen Bedingungen zur Aufzucht der beliebten Nutzpflanze Cannabishanf, so verschieden sind in Deutschland die Risiken, die strafrechtlich daraus erwachsen.

Die Grüne Hilfe, ein Bündnis von Beratungsstellen, hat deshalb unterschiedlich viele Anfragen aus einzelnen Regionen. „Ab 0,5 Gramm kommt es in Bayern schon zu Gerichtsverfahren und Führerscheinentzug“, weiß Annette Müller*, eine Mitarbeiterin. Vor einem Jahr bekam sie täglich sechs bis sieben Anrufe von Hilfesuchenden, heute sind es am Tag bis zu achtzehn. Davon sind ungefähr acht aus Bayern, sechs aus den neuen Bundesländern. Das Gefälle ist auch Ulli, Mitarbeiter des Regionalbüros Alsfeld, bekannt: „Je südlicher, desto eher versuchen die Ordnungshüter den Leuten an die Führerscheine zu gehen.“

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das bei kleinen privaten Cannabismengen eine Verfahrenseinstellung forderte, wurde in den Ländern nicht einheitlich umgesetzt. „Wir haben keine Richtlinien wie viele andere Länder“, erklärt Gerhard Zierl, Pressesprecher des bayerischen Justizministeriums. Die Justiz orientiere sich zwar auch an der Faustregel, daß „drei Konsumeinheiten“ eine geringe Menge seien. Zusätzlich werde aber der „singuläre Fall“ betrachtet, so daß auch bei kleineren Mengen nicht immer eingestellt werde. „Bayern war bei Betäubungsmitteldelikten immer gleich konsequent, so daß ich da keine besondere Aufweichung sehe“, meint der Pressesprecher.

Vor 25 Jahren entstand die Vorgängerin der heutigen Grünen Hilfe. Nach einer Großrazzia gründeten einige Betroffene in Heidelberg eine Rechtshilfegruppe. Der zunächst sehr hedonistisch auftretende Kreis erhielt seinen Namen in Analogie zur Roten und Schwarzen Hilfe von sozialistischen und anarchistischen Gruppen.

1994 wurden Name und Programm wiederbelebt, wobei man nun auf die 1992 begonnene Gefangenenbetreuung InHaLe zurückgreifen konnte. InHaLe steht für „Initiative Hanf Legal“, und diese Zielsetzung ist auch die der Grünen Hilfe. Weitere Regionalbüros folgten, momentan sind es 13. Im letzten Jahr haben sich 10.000 Betroffene mit der Grünen Hilfe in Verbindung gesetzt. Aber: „Wie bei bundesweiten Bündnissen üblich gab es Kommunikationsstörungen und Meinungsverschiedenheiten über die Durchführung der Arbeit“, berichtet Jo Biermansky, neuer Pressesprecher der Grünen Hilfe. So entschloß man sich zu einer Umstrukturierung. Anfang dieses Monats klappte es nun doch mit der Gründung eines Vereins: Der „Dachverband Grüne Hilfe Netzwerk e.V.“ beantragt nun die Gemeinnützigkeit. „Wir sind optimistisch, daß wir sie bekommen“, sagt Biermansky. Für das Bündnis, das sich bisher durch Spenden finanziert, ist es von großer Bedeutung, wenn die GeberInnen „gemeinnützige Aufwendungen“ steuerlich absetzen können.

80 AnwältInnen stehen in Kontakt mit der Grünen Hilfe, um Rechtshilfe zu geben. 28 Gefangene werden zur Zeit von der Grünen Hilfe betreut. Die meisten sitzen in Deutschland ein, aber die Liste der betreuten Häftlinge reicht weiter in die Einfuhrländer, etwa in den asiatischen Teil Rußlands.

Besonders bewegt die Grüne Hilfe der Fall von Hans-Peter Haderlein. Er sitzt seit sechs Jahren in der Justizvollzugsanstalt Straubing (Bayern). Ihm wurde Handel mit knapp acht Kilogramm Hanfharz vorgeworfen, und er wurde aufgrund einer Kronzeugenaussage verurteilt. Beweisen habe man ihm jedoch nichts können, so Müller. Obwohl von den neun Jahren Strafe demnächst zwei Drittel verbüßt seien, habe es bisher keine Vollzugslockerung gegeben. Weihnachtseinkäufe im Knastladen seien ihm erst nach langem Drängen der Grünen Hilfe im letzten Moment bewilligt worden, ebenso ein Telefonat mit seiner Mutter vor einer ernsten Operation, berichtet Annette Müller. Auch eine Verlegung in eine heimatnähere Haftanstalt scheiterte bislang.

Die Grüne Hilfe betreut nicht nur Gefangene und polizeilich Verfolgte, sondern bietet auch Informationen zum medizinischen Gebrauch von Hanf. „Seit einem Dreivierteljahr arbeitet unser Fachbüro Medizin“, berichtet Biermansky. „Wir haben bisher über hundert Anfragen zu diesem Thema.“ Matthias Fink

Kontakt: Jo Biermansky, Untere Fuldergasse 12, 36304 Alsfeld; Telefon (06631) 3604

* Name von der Redaktion geändert