Die deutsche Chemieindustrie: Unfähig zum Dialog

■ Umweltschützer kündigen zehnjährigen Austausch mit der chemischen Industrie wegen „systematischer Informationsverweigerung“ auf. Verbände reagieren verärgert

Berlin (taz) – Der morgige Tag der offenen Tür in der deutschen Chemieindustrie wird ohne die Umweltverbände stattfinden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und das Pestizid Aktions Netzwerk (PAN) haben gestern ihren langjährigen Dialog mit der chemischen Industrie aufgekündigt. Beide Organisationen werfen vor allem dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) und dem Zusammenschluß der Pestizidhersteller, dem Industrieverband Agrar (IVA), vor, seit zehn Jahren systematisch einen ergebnisorientierten Dialog zu verweigern. Informationsfragen würden unzureichend oder überhaupt nicht beantwortet. Zu Vereinbarungen über den Verzicht auf besonders problematische Stoffe sei es nicht gekommen. Ein Abwägen von Nutzen und Risiken von Pestiziden sei offenbar mit der Industrie nicht möglich. Die Chemieindustrie werbe mit enormem Aufwand für ihren Tag der offenen Tür, so BUND-Chemieexperte Thomas Lenius. „Gleichzeitig weicht sie einer Diskussion über Risiken und gesellschaftlichen Nutzen von Chemieprodukten wie Pestiziden aus.“

Bei der IVA räumte man gestern ein, viele Fragen der Umweltverbände nicht beantwortet zu haben. Die Beantwortung eines ausführlichen Fragenkataloges von BUND und PAN hätte drei Arbeitsjahre erfordert. So viel Arbeitszeit hätten die deutschen Pestizidhersteller nicht übrig. Trotzdem seien die IVA und ihr Vorsitzender Gerhard Prante natürlich weiter offen für den Dialog. Prante ist Chef der Hoechst-Tochter AgrEvo.

In der VCI-Zentrale in Frankfurt reagierte man vergrätzt auf die Kritik aus dem ökologischen Lager. „Da versucht uns der BUND ans Bein zu pinkeln“, so Sprecher Manfred Ritz. Doch die starre Haltung von VCI und IVA ist bei den Arbeitgebern nicht unumstritten. BUND und PAN beobachten bei einzelnen Chemieunternehmen durchaus ein „kooperatives Verhalten“. Erst vor zwei Wochen hatte Hoechst-Umweltvorstand Ernst Schadow in der taz gesagt, daß die Chemieindustrie den Dialog mit der Opposition brauche und daher auch pflegen müsse. Der solle nicht ergebnislos bleiben. Hoechst hat eine Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut über die Zukunft von Industriefolien und anderen Produktlinien vereinbart. Hermann-Josef Tenhagen