Sorgen mit der Entsorgung

■ Im Oktober tritt das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in Kraft: Die Regierung feiert es als "Trendwende". BUND: "Neuer Wein in alten Schläuchen"

Vor zwei Jahren wurde es nach einigem Hin und Her verabschiedet, am 7. Oktober diesen Jahres tritt es in Kraft, das neue Kreislaufwirtschafts- uns Abfallgesetz. Die Bundesregierung feierte es vollmundig als „neue Dimension der Abfallwirtschaftspolitik“. Für Umweltverbände wie den BUND bedeutet es, daß Abfallverwertung zur Geldverwertung verkomme.

Dabei sind sich prinzipiell alle einig: Es gilt das Müllaufkommen zu verringern, und das ist am besten durch Müllvermeidung zu erreichen. Auch eine Kreislaufwirtschaft, bei der die Erzeuger für ihren Abfall selbst verantwortlich sind, trifft grundsätzlich auf keinen Widerspruch. Nur über das „Wie?“ gehen die Meinungen auseinander. Für die Umweltverbände ist klar, daß die „Trendwende beim Rohstoffverbrauch“, die die Bundesregierung ankündigt, mit dem neuen Gesetz nicht erreicht werden wird.

Worum geht es? Das Gesetz paßt das bundesdeutsche Recht an die europäischen Abfallnormen an. Es basiert auf einer Hierachie Müllvermeidung, -verwertung, -entsorgung. Abfälle gilt es zu allererst zu vermeiden oder möglichst gering zu halten. Ist dies nicht möglich, sollen sie verwertbar sein, und erst wenn dies auch nicht möglich ist, soll es an eine Entsorgung gehen. Die Unternehmen sollen so zu einer an der Schonung der natürlichen Ressourcen orientierten Produktion verpflichtet werden. Oder wie es aus dem Umweltministerium heißt: „Die Unternehmen sollen vom Abfall her denken.“

Mit staatlichen Vorgaben hält sich der Gesetzgeber jedoch zurück. Die Abfallreduzierung soll vor allem durch Selbstverpflichtungen der Industrie erreicht werden. Im Kern geht es um die Durchsetzung einer sogenannten Produktverantwortung für die Industrie. Die Hersteller sollen für die Entsorgung ihrer Produkte in die Pflicht genommen werden. Dazu sieht das Abfallgesetz vor, daß die Industrie sogenannte Entsorgungsgemeinschaften bilden soll.

Ein Beispiel für eine Selbstverpflichtungsvereinbarung der Industrie ist die Rücknahme von Autowracks. Im Moment sieht es noch so aus: Alte Autos wandern zum Schrotthändler und werden dort auseinandermontiert. Intakte Teile verkauft der Händler weiter, die Karosserie wird zerschreddert. Durch die Zerschredderung können die Metallanteile der Karosserie zurückgewonnen werden, übrig bleiben die Kunststoffreste, die meist deponiert werden.

Nach zähen Verhandlungen konnten sich die Automobilindustrie und ihre Zulieferer Anfang des Jahres auf eine Selbstverpflichtung einigen, die vom Bundesumweltministerium akzeptiert wurde. Die Industrie verpflichtet sich darin zu folgenden Maßnahmen: dem Aufbau einer Rücknahmeinfrastruktur, der Rücknahme aller alten Autos und der Senkung des Anteils der nicht weiterverwertbaren Abfälle bei der Produktion von neuen Wagen. Die Selbstverpflichtung hat jedoch ihre Grenzen. Kostenlose Entsorgung wird nur für Autos zugesichert, die nicht älter als 12 Jahre sind und vollständig, rollfähig, frei von Abfällen und ohne wesentliche Beschädigungen, also „Checkheft-gepflegt“. Für die Rücknahme anderer Autos behält sich die Industrie vor, eine Gebühr zu verlangen. Die Entsorgung „wild“ abgestellter Wagen bleibt Aufgabe der Kommunen. Im Klartext heißt das, daß ein Großteil der Schrottwagen, nämlich alle, die älter als 12 Jahre sind und alle, die größere Schäden aufweisen, nicht kostenlos zurückgenommen werden, sondern eine Gebühr fällig wird.

Ein anderes Beispiel ist die Elektronikindustrie. Weil der Zentralverband der Elektrotechnik und Elektronikindustrie die Produktverantwortung lediglich auf die Konstruktion und Herstellung bezieht, jedoch nicht auf die Verwertung und Beseitigung, ist es seit Jahren zu keiner Einigung gekommen. Nur der Fachverband Informationstechnik hat sich auf eine Regelung einigen können.

Das Fehlen einer verbindlichen ökologischen Zielrichtung im neuen Abfallgesetz stößt beim BUND auf entschiedenen Widerspruch. Die privatwirtschaftliche Lösung erhöhe den Einfluß der Abfallerzeuger- und Entsorger. Das Vertrauen auf eine marktwirtschaftliche Regelung bedeute, das bei der Entsorgung auf die billigste und nicht auf die umweltgerechteste Lösung gesetzt werde. Diese Deregulierung der Müllentsorgung führe zu kostengünstigen „Pseudoverwertungsverfahren“ und nicht zu ökologisch sinnvoller Abfallverwertung. „Die Kreislaufwirtschaft wird zum Geschäft, bei dem das eigentliche ökologische Ziel auf der Strecke bleibt“, so Olaf Bandt vom BUND.

Für den BUND ist das neue Abfallgesetz vor allem alter Wein in neuen Schläuchen. Eine wirkliche Verbesserung der Umweltsituation könne nur erreicht werden, wenn die Vergabe von Verwertungsaufträgen sich an der Umweltfreundlichkeit der jeweiligen Anlage und nicht an der günstigsten Lösung orientiere. Tobias Rapp