Schneller Rausschmiß nach Bosnien

■ Ausländerbehörde will Bürgerkriegsflüchtlinge nach Exjugoslawien abschieben, deren Verfahren vor Gericht noch nicht beendet sind. Bereits nächste Woche könnte das erste Flugzeug nach Sarajewo starten

Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) forciert die ab dem 1. Oktober mögliche Abschiebung von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina mit rechtlich fraglichen Methoden. Schönbohm, der gestern ankündigte, die sogenannte Rückführung der 36.000 in Berlin lebenden Flüchtlinge „notfalls auch zwangsweise“ durchzuführen, verlangt vom Oberverwaltungsgericht (OVG) und vom Verwaltungsgericht (VG), Akten noch nicht abgeschlossener Verfahren an die Ausländerbehörde zurückzugeben.

Nach Angaben von Richter Percy Mc Lean von der 35. Kammer des VG haben bereits am Donnerstag, am Tag der Innenministerkonferenz, Mitarbeiter der Ausländerbehörde ungeprüfte Akten von Flüchtlingen abgeholt. Die „absolute Regel“ sei jedoch, so der Richter, „daß vor unserer Entscheidung nichts gemacht wird.“

Die Sprecherin der Innenverwaltung, Fancine Jobatey, sagte gegenüber der taz, daß es sich um Verwaltungsstreitverfahren von Flüchtlingen handele, die nach dem Friedensschluß von Dayton am 15. Dezember vergangenen Jahres eingereist seien. Die Ausländerbehörde brauche diese Akten „nur zur kurzfristigen Einsicht von Einzelheiten“, spielte sie diesen offensichtliche Druck auf schnellen Rausschmiß der Flüchtlinge herunter. Die Sprecherin betonte dagegen, daß niemand abgeschoben werde, der Rechtsmittel eingelegt habe.

Richter Mc Lean spricht jedoch von einem „Widerruf von Zusicherungen“. Noch Anfang September habe die Ausländerbehörde zugesichert, nicht nach Bosnien abzuschieben. Dieses Vorgehen sei „ganz ungewöhnlich“ und berge die Gefahr, daß die Rechtsweggarantie unterlaufen werde. „Wir halten an der Rechtsweggarantie nach dem Grundgesetz fest“, betonte der Richter. Denn die Rechtsschutzverfahren bei den sieben zuständigen Kammern seien in der Regel „entscheidungsreif“. Die Rücksendung der Akten bedeute eine „unnötige Verfahrensverzögerung“. Ein gestriges Gespräch zwischen der Ausländerbehörde und dem Präsidenten des OVG sei ergebnislos verlaufen.

Informationen der taz, nach denen die Ausländerbehörde bereits am kommenden Samstag einen ersten Rücktransport per Flugzeug plane, konnte Jobatey nicht bestätigen.

Die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) forderte gestern eine „sorgfältige Umsetzung“ des Rückkehrbeschlusses: „Rechtswege müssen eingehalten und nicht verstopft werden.“ John appellierte an die Flüchtlinge, sich nicht einer zwangsweisen Rückführung auszusetzen. „Die freiwillige Rückkehr ist der beste Weg“, sagte die Ausländerbeauftragte. Barbara Bollwahn

Siehe Berichte auf Seite 1 und 4 und Kommentar Seite 10