Das Krachpaket

Nach Jahren der Krise löst Axel Thorer den „Bunte“-Chefredakteur Wagner ab, der nun ein Magazin für die Unterhaltungselite entwickeln soll  ■ Von Oliver Gehrs

Junge Menschen sitzen im Bauch einer Jacht beim späten Frühstück, die Sonnenbrillen lässig im Haar, den Cappuccino halb geleert. Mitten unter ihnen ein älterer Mann im halboffenen Bademantel – einer von der Sorte Gunther Sachs. So schicky stellt man sich beim Burda-Verlag immer noch die Bunte-LeserInnen vor – zumindest auf den ganzseitigen Anzeigen, die derzeit vorzugsweise in konzernnahen Blättern wie der Hamburger Woche geschaltet werden.

Die neue Werbekampagne der Hamburger Agentur Springer& Jacoby tut bitter Not, denn das einstige Burda-Traumschiff liegt schon länger auf dem Trockendock der Auflagenstatistik: Innerhalb der letzten sechs Jahre verlor die ehedem größte deutsche Illustrierte rund ein Drittel ihrer Auflage und verkauft mittlerweile nur noch magere 700.000 Exemplare. Ende der 60er Jahre waren es noch 1,8 Millionen.

Auf einer anderen Jacht – diesmal im richtigen Leben – genießt der langjährige Chefredakteur Franz-Josef Wagner (53) momentan seinen Urlaub: Nach insgesamt sieben Jahren bei der Bunten (nur unterbrochen vom einjährigen Gastspiel der glücklosen Beate Wedekind) soll er vom 1. Oktober an ein neues Unterhaltungsmagazin fürs Wochenende entwickeln. Mediterraner Arbeitstitel: Korsika.

Wagners Nachfolger wird sein bisheriger Berater Axel Thorer (57), der mit seiner Vita zu den bunteren Hunden im Münchener Journalistenklüngel gehört: Erst Autor und kommissarischer Chefredakteur des Playboy, dann Esquire-Chef und später Moderator der ersten Krawalltalkshow im deutschen Privatfernsehen („A.T. – Die andere Talkshow“), die RTL wegen Erfolglosigkeit nach wenigen Pöbelrunden einstellte.

Als sich der Exzentriker mit dem Kaiser-Wilhelm-Bart auf der Redaktionskonferenz am Montag als neuer Chef vorstellte, ging ein kollektives Aufatmen durch die Reihen. Nicht etwa weil Thorer übermäßig beliebt wäre, sondern weil er als erste Amtshandlung die verhaßten Nachtschichten abschaffte, die den RedakteurInnen jahrelang Augenringe und dem Verlag einen Stapel Bußgeldbescheide vom Gewerberaufsichtsamt beschert hatten.

Ein behindertes Kind für Bill und Hillary

Auch sonst will Thorer einiges ändern: z. B. die Arbeitsteilung zwischen schreibenden Redakteuren und jenen für die Recherchefron im Archiv. „Wir waren ein Autorenblatt für Leute von draußen, nun werden wir eins für unsere eigenen“, kündigt der selbsternannte „Purdemokrat“ an, und verspricht, die bisher „brachliegenden Talente“ zu fördern.

Viel zu schreiben gibt es für die allerdings nicht: Was Wagner hinterläßt, hat mit einer Zeitschrift nur noch das Format gemein: Donnerstag für Donnerstag ein buntes Mosaik aus belanglosen Sammelgeschichtchen („Was ein Mann bis 50 gemacht haben muß: Zwei Kastanien im Garten pflanzen – wie Berti Vogts“), Promifotos und asthmatischen Begleittexten, bei denen der Wahrheitsgehalt proportional zur Länge abnimmt. Nachdem das gefakte Interview mit Prinzessin Caroline inzwischen zum legendären Regelverstoß avanciert ist, ramponierte die Bunte ihr Image vor wenigen Wochen vollends, als sie den Schauspieler Tom Cruise falsch zitierte.

Doch no problem – Thorer gewinnt sogar solchen journalistischen Super-GAUs noch eine positive Seite ab: Jetzt sei die Bunte wenigstens in Hollywood ein Begriff und: „Wenn ich ein Interview mit Andie McDowell will, sage ich nur: Tom Cruise.“

Thorer ist eh davon überzeugt, daß die Leserschaft der Bunten mittlerweile gut genug trainiert ist, um wahr und halbwahr auseinanderzuhalten. Und gegen das Privatfernsehen seien sowieso alle anderen Medien Waisenkinder.

„Der Wagner hat ein buntes Krachpaket gemacht, über das die Leute sprechen“, freut sich der passionierte Golfspieler – was, ist ihm offensichtlich egal. Selbst die auf dem Titel plazierte Gegendarstellung von Prinzessin Caroline habe noch 10 Prozent Plus gemacht. „Und ich dachte, wir können die Hefte einstampfen.“

Ein Fake ist ein Fake ist doch kein Fake – fast scheint es so, als seien die normalen Regeln des Journalismus in der Münchener Arabellastraße außer Kraft gesetzt. Mal schwadronieren Redakteure darüber, ob Bill und Hillary Clinton nicht mal ein schwarzes behindertes Kind adoptieren sollten („Family-Fun in the USA“), mal wird ein Knutschfleck am Hals von Steffi Graf öffentlich als Entjungferung gefeiert oder (wie in der jüngsten Ausgabe) wild spekuliert, ob vielleicht ein Pilz monegassische Kopfhäute kahlfrißt.

Die Bunte müsse die Themen halt unkonventionell angehen, „die Geschichten ein wenig überdrehen“, glaubt Thorer. „Wenn Gala darüber schreibt, daß die Queen vom Pferd gefallen ist, machen wir daraus eine Geschichte über das Verhältnis von Mensch und Tier“, droht er, und es klingt aufrichtig begeistert.

Verläßt Markwort bald den „Focus“?

Auch Burda-Sprecher Philipp Welte hat erstaunlich wenig Mühe, den Anzeigen- und Auflagenschwund der Bunten in einen Achtungserfolg umzudeuten. Wagner habe aus der Illustrierten einen „Taifun“ gemacht und sie trotz zahlreicher neuer Titel im Segment behauptet. Einzig eine optische Erneuerung sei in Kürze geplant, aber keinesfalls eine Annäherung an das Promi-Poesiealbum Gala. „Das ist der größte Flop der Pressegeschichte.“

Zur Belohnung darf Wagner – der Meister der Reduktion („Ich glaube an den Neun-Zeilen-Roman“) – nun an Korsika basteln, einem Projekt, das er angeblich in seiner Freizeit ausbaldowerte und das Wagner-Fan Hubert Burda so gut gefiel, daß er schleunigst die ersten Nullnummern orderte.

„Eine ungeheure Impulsivität“ bescheinigt Welte dem Verleger – besonders dann, „wenn als uneinnehmbar geltende Märkte zu besetzen sind“. Wie vor drei Jahren, als es galt, mit Focus den Spiegel zu schleifen. Diesmal will Burda „ein großes Unterhaltungs- und Informationsvakuum auf einem der letzten spannenden Märkte in Deutschland füllen“. Das klingt, als käme zur Info- bald die Unterhaltungselite.

Andere, wie der Branchenreport Kress, vermuten hinter Korsika freilich nicht viel mehr als eine Nebelkerze, um die „Ikone“ Wagner, dessen Vertrag bis zum 30. Juni 1998 läuft, kostenneutral loszuwerden. Ein Burda-Mitarbeiter drückt es noch deutlicher aus: „Eh der sich endgültig in Florida in die Sonne legt, soll er noch ein paar Ideen bringen.“

Auch Thorers Vertrag gilt nur zwei Jahre – offiziell gilt er als Interimslösung. Seit langem kursieren Gerüchte, nach denen der zweite Mann im Staate Focus, Uli Baur, gemeinsam mit Helmut Markworts Freundin Patrica Riekel (derzeit Chefredakteurin von die aktuelle) mittelfristig die Leitung der Bunten übernimmt.

„Völliger Unsinn“, dementiert Welte, und spricht damit wohl auch für seinen Verleger. Denn Hubert Burda soll momentan nicht gut auf Markwort zu sprechen sein, weil der den Focus-Erfolg ganz für sich allein verbucht und sich unverschämterweise auch noch um die Nachfolge des abgestürzten Vorstandsmitglieds Gerd Bolls (Bereich Zeitschriften) beworben hatte.

Als Gipfel der Pietätlosigkeit soll Burda es empfunden haben, daß der Focus-Chef zum Requiem für Bolls nicht mit seiner Ehefrau, sondern seiner Freundin erschienen war. Wegen einer ähnlichen Taktlosigkeit hatte Burda einst Peter Boenisch aus dem Verlag geworfen.

Geschichten, wie eigentlich nur die Bunte sie schreibt.