NGOs müssen Politiker ersetzen Von Torsten Bünning

Die voranschreitende Zerstörung der Wälder im Süden und Norden ist als globales Problem erkannt, aber um so weniger gebannt. Für den Regenwald am Amazonas wurden gerade auf einer internationalen Konferenz in Bonn über 440 Millionen Mark bereitgestellt, obwohl es noch nicht einmal erfolgreiche Projekte gibt oder die bisherige Entwaldung reduziert worden wäre. In Aktionen gegen die Regenwaldzerstörung hat Helmut Kohl – wie in dieser Woche in Brasilien – ein ideales umweltpolitisches Profilierungsfeld erkannt: Wichtig, aber doch außerhalb der eigenen Zuständigkeit. Und weil Brasilien ein großer Markt für Deutschland ist, durfte es ein bißchen mehr Geld sein.

Neuere Studien von UN und Weltbank machen die kleinbäuerliche Landwirtschaft für die Hälfte der weltweiten Entwaldung verantwortlich. Die analysierten Ursachen und die Forderungen sind dabei auf die Arbeit der Auftraggeber zugeschnitten: Mehr Geld für die zuständigen UN-Organisationen, bessere Marktbedingungen für Kleinbauern.

Erst die ungleiche Landverteilung und fehlende soziale Rechte treiben aber nicht nur in Brasilien die Landlosen in die Wälder. Angesichts der Machtverhältnisse in vielen Ländern wird kaum eine Regierung zur Lösung der Landfrage gedrängt werden können. Doch die starken Akteure, die den Landlosen zur Scholle verhelfen, sind nicht auszumachen. Weshalb sollten also Länder, die Menschenrechte mißachten, Wälder schützen? Selbst dort, wo sie gewahrt werden, fallen die Urwaldriesen der Holzindustrie zum Opfer, wie das Schicksal der Urwälder Kanadas zeigt.

Trotz dieser Zusammenhänge tendieren sogenannte Fachleute dazu, auf Tagungen die Wirklichkeit in handelbare Maßnahmen aufzulösen. Die deutsche Entwicklungshilfe ist beim naiven Expertenwesen keine Ausnahme. Bei der Frage von Schutz oder Nutzung des Regenwaldes geht es um die Landnutzung mit handfesten, wirtschaftlichen und politischen Interessen. Man habe aus früheren Fehlern gelernt, wird behauptet, und man finanziere keine Sägewerke und Straßen durch Urwälder mehr. So werden nicht mehr Förster, sondern promovierte Förster entsandt. Ohne tiefgehende Kenntnis des betroffenen Landes, seiner Menschen und isoliert vom politischen Machtgefüge versuchen sie, die Waldzerstörung über Gesetze oder die Beratung von Forstverwaltungen zu bremsen. Solange Forstministerien lediglich Forstgesetze ändern können, ist auch keine Lösung der Landbesitzfrage oder anderer entscheidender Faktoren zu erwarten.

Dabei sind die Probleme nicht erst durch unwillige Forstverwaltungen entstanden. Das Grundproblem in Lateinamerika liegt in der eingeschliffenen zerstörerischen Wirtschaft mit den natürlichen Lebensgrundlagen und fehlenden Alternativen aufgrund weltwirtschaftlicher Abhängigkeiten. Ein Ende der Waldzerstörung kann aber am ehesten durch einen veränderten Umgang mit den natürlichen Ressourcen geschehen, was auch Perspektiven für die in den Urwäldern überlebenden Menschen einschließen muß.

Doch wer sind die Akteure dieses neuen Ansatzes? Angesichts der ordnungspolitischen Schwäche vieler Staaten kann diese Aufgabe am ehesten von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) erwartet werden. Doch zur Unterstützung dieser neuen „Internationalen der Zivilgesellschaft“ fehlt es unserer Entwicklungshilfe nicht nur an Konzepten, sondern auch am politischen Druck. Während Umwelt-NGOs im Süden durch Übernahme hoheitlicher Aufgaben infolge eines Rückzugs des Staates an Bedeutung gewannen, bläst ihnen im Norden seit der Rio-Konferenz und mit Beginn der Rezession der Wind ins Gesicht. Wie der Mainstream in Deutschland, kümmern sich viele Umweltverbände heute lieber um den überschaubaren heimischen Wald und Schrebergarten, als sich den verwirrenden Zuständen außerhalb der Festung Europa preiszugeben. Die Globalisierung macht aber auch vor den Umweltschützern nicht halt.