Kampf der Internet-Systeme

■ Betreibt Microsoft unlauteren Wettbewerb gegen Netscape, den führenden Hersteller von Internet-Suchprogrammen? Das US-Justizministerium ermittelt

Redmond/Berlin (AFP/taz) – Das US-Justizministerium hat eine neue Untersuchung gegen den weltweit führenden Software-Hersteller Microsoft eingeleitet. Das Ministerium habe schriftlich um Informationen über das Microsoft- Programm „Internet Explorer 3.0“ – ein Navigationsprogramm für das weltweite Computernetzwerk Internet – gebeten, teilte das Unternehmen am Donnerstag an seinem Sitz in Redmond (US-Bundesstaat Washington) mit. Das Justizministerium bestätigte, daß eine Untersuchung auf dem Software-Markt im Gange sei, wollte aber keine Einzelheiten nennen.

Die bei Internet-Software führende Firma Netscape Communications hatte sich im August in einem Brief an das US-Justizministerium über angebliche Wettbewerbsverzerrungen durch Microsoft beklagt. Der Vorwurf: Microsoft würde Computerhersteller durch Anreize und Zwang, etwa Exklusivlizenzen, dazu bringen, ihre Rechner ausschließlich mit dem Internet-Browser (Suchprogramm) von Microsoft auszustatten. Microsoft beschränke zudem teilweise bewußt die Zugangsmöglichkeiten zum Internet in seinem Betriebssystem „Windows“. Die Kunden sollten damit bewegt werden, statt des Netscape-Programms eine teurere Software einschließlich des Microsoft-Navigationsprogramms zu kaufen.

Microsoft verstoße damit gegen einen 1994 mit den Kartellbehörden ausgehandelten Kompromiß, beschwert sich Netscape. Es handelt sich nun bereits um die vierte wettbewerbsrechtliche Untersuchung gegen Microsoft.

Microsoft weist die Vorwürfe weit von sich. „Es gibt keine Exklusivgeschäfte“ zwischen dem Software-Riesen und Computerherstellern, sagte Firmensprecher Greg Shaw. „Explorer 3.0“ verfüge eben über die beste Technologie. Die Netscape-Manager würden angesichts des Microsoft-Erfolgs hysterisch und versuchten lediglich, „durch eine PR-Aktion die Aufmerksamkeit von ihren Produkten abzulenken“, lästerte schon im August Brad Chase, Internet-Manager bei Microsoft. Das Unternehmen erklärte am Donnerstag, es werde mit der Justiz zusammenarbeiten.

Nur knapp eine Woche nach Microsoft hatte Mitte August auch Netscape seine neue Version eines Navigationsprogramms für das Internet präsentiert: „Netscape Navigator 3.0“. Netscape, dessen „Navigator“-Programm vier von fünf Internet-Surfern benutzen, hatte in den vergangenen Monaten Marktanteile eingebüßt. Dabei hatte Microsoft-Chef Bill Gates erst im vergangenen Dezember eine Internet-Offensive verkündet. Bis dahin schien die weltgrößte Software-Firma den Anschluß an den Internet-Boom verpaßt zu haben. Das war die Chance für die kleine Firma Netscape aus Kalifornien. Die jeweils neueste Fassung ihres Internet-Browsers „Navigator“ können die User kostenlos laden. Geld verdient die Firma, indem sie für die Anbieter im Internet auch die passende Software verkauft, und die ist teuer. Schnell war Netscape der Shooting-Star an der Börse.

Doch der Stern sinkt in dem Maße, in dem Bill Gates sich ins Internet einklinkt. Der Microsoft- „Explorer“ bietet das meiste, was der Netscape-„Navigator“ hat, und noch einiges dazu. Noch ist mitnichten klar, ob Microsoft gegen die Wettbewerbsregeln verstößt, indem die Firma Computerhersteller dazu bringt, Microsoft-Programme vorzuziehen. Ein von der Zeitung Washington Post befragter Computerverkäufer meinte, die Microsoft-Praxis unterscheide sich nicht von der anderer Software-Firmen. Andere äußerten jedoch, daß die Wünsche der marktbeherrschenden Firma Microsoft nur schwer umgangen werden könnten. lieb